Wie die Ideologie des Ökofaschismus breite Teile der Gesellschaft beeinflusst

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Als ein Rassist im März 2019 im neuseeländischen Christchurch 51 Muslim*innen tötete und 50 weitere verletzte, wurde der Begriff „Ökofaschismus“ schlagartig in der Öffentlichkeit bekannt. Als „eco-fascist“ – Deutsch: Ökofaschist – hatte sich der Täter in einem von ihm hinterlassenen „Manifest“ selbst bezeichnet. Wenige Monate später kam es im texanischen El Paso zu einem weiteren rassistischen Anschlag, dessen Täter sich direkt auf dieses Manifest bezog.

Seit den 1970er-Jahren ist von Ökofaschismus die Rede, wenn die Naturschutzpolitik des NS-Regimes beschrieben wird: Dessen „Blut und Boden“- Ideologie ging von einer natürlichen Verbindung von Mensch und Natur aus und hatte einen ökologischen Anspruch. Es geht um eine absolute Unterordnung des Menschen unter die Natur.

Zentral für diese Ideologie ist der Sozialdarwinismus, der aus der Evolutionstheorie vermeintliche Naturgesetze ableitet und ein „Recht des Stärkeren“ für menschliche Gesellschaften fordert. Gleichzeitig werden Menschen in Gruppen von unterschiedlicher Wertigkeit eingeteilt. Die Terroristen von Christchurch und El Paso wollten gezielt Muslim*innen beziehungsweise Menschen aus Lateinamerika töten, weil diese weniger wert seien und nicht auf neuseeländischen beziehungsweise US-amerikanischen Boden gehörten.

Auch wenn diese Gedankenwelt offensichtlich aus einem fernen rechtsextremen Milieu kommt, in dem sich Umsturzfantasien und Verschwörungsideologien gegenseitig befruchten, strahlt sie doch weiter in breite Teile der Gesellschaft, als viele glauben. So wird in Umwelt- und Klima- Debatten, zuletzt auch in der Corona-Krise, immer wieder ein hochproblematisches Bild gezeichnet, das an die ökofaschistische Ideologie anknüpft: Die Menschheit ist das Virus der Erde.

Dieses Bild stellt zum einen die pure Existenz von Menschen als einen Zustand dar, der bekämpft werden muss. Der entsprechende Diskurs führt schnell zu den Fragen, ob es schon zu viele Menschen gibt, welche das sind und was dagegen getan werden muss. Diese Fragenkette ist identisch mit rassistischen Erzählungen von einer vermeintlichen Überbevölkerung und der Auffassung, dass die Anderen zu viele seien. Die Anderen sind meist Menschen aus dem Globalen Süden. Auch bei der Frage, wie denn eine Bevölkerungsreduktion umgesetzt werden könnte, wird schnell klar: Maßnahmen wie Geburtenkontrollen oder das Knüpfen von Hilfszahlungen an Reduktionsbedingungen haben nichts mit Menschenwürde und Menschenrechten zu tun.

Zum anderen blendet dieses Bild die wirtschaftliche Komponente, unterschiedliche Lebensstile und enorme globale Ungleichheiten im Ressourcenverbrauch vollkommen aus. Die Politologen Ulrich Brand und Markus Wissen kritisieren den Lebensstil des Globalen Nordens als „imperiale Lebensweise“ und schreiben in ihrem gleichnamigen Buch: „Das alltägliche Leben in den kapitalistischen Zentren wird wesentlich durch die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Naturverhältnisse andernorts ermöglicht. Das geschieht durch den im Prinzip unbegrenzten Zugriff auf das Arbeitsvermögen, die natürlichen Ressourcen und Senken im globalen Maßstab.“

Ins Zentrum der Kritik gehören also die menschlichen Lebensweisen und Fragen der Umverteilung. Nicht der Mensch ist das Virus, sondern seine Wirtschaftsweise. Die wiederum ist allerdings kein Naturgesetz, sondern kann vom Menschen auch wieder geändert werden. Entscheidend ist die Frage: Sind wir im Globalen Norden selbst bereit, unser Leben umzustellen? Dafür braucht es allerdings nicht nur die individuelle, sondern eine gesamtgesellschaftliche Bereitschaft hin zu einer globalen Klimagerechtigkeit durch eine sozial-ökologische Transformation. Wer dazu nicht bereit ist und die imperiale Lebensweise um jeden Preis verteidigen möchte, muss sich allerdings die Frage gefallen lassen, wie weit entfernt er oder sie selbst vom Ökofaschismus ist.

Die Ökofaschismus-Ideologie – auch die Akzeptanz einzelner Fragmente – kann im Extremfall zu Terror und Mord führen. Der Terrorist von Christchurch tötete, um die Umwelt „vor zu vielen nicht-weißen Menschen zu schützen“.

Yannick Passeick
Fachstelle für Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN)