Mit Paddel-Training gegen Long Covid

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Für Menschen mit Long Covid ist der Weg zurück in das Leben vor der Erkrankung oft langwierig und beschwerlich, für viele ist er von Rückschlägen geprägt. Die NaturFreunde Wilhelmshaven haben im Juni 2022 ein Wassersport-Angebot geschaffen, das Long-Covid-Betroffene unterstützen möchte, sich in Gemeinschaft auf dem Wasser zu erholen und zu lernen, mit der Erkrankung umzugehen.

Das erste Paddel-Angebot in Deutschland für Long-Covid-Betroffene

Heinz Ehlers ist Abteilungsleiter Inklusion bei den NaturFreunden Wilhelmshaven und begeisterter Wassersportler. Er hat das spezielle Paddel-Angebot der Ortsgruppe in die Wege geleitet. In seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Intensivpfleger erhielt er früh einen Einblick in die Situation vieler Long-Covid-Betroffenen. „Ich habe überlegt, wie unsere Ortsgruppe diese Menschen unterstützen kann. Als Ausbilder für Stand-Up-Paddling dachte ich da natürlich sofort an den Wassersport“, so Heinz Ehlers.

Was ist Long Covid?
Von Long Covid spricht man, wenn Symptome vier Wochen nach einer überstandenen Infektion mit Covid-19 anhalten oder neue Symptome hinzukommen. Viele Long-Covid-Betroffene fühlen sich schlapp und sind schnell erschöpft. Sie leiden an chronischer Müdigkeit, haben Konzentrations- und Gedächtnisprobleme oder Atembeschwerden. Ihre körperliche Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit ist oft stark vermindert. Betroffen sind Menschen aller Altersgruppen und auch Menschen, die zuvor sehr sportlich waren.

Er fragte beim Kanuverband an, ob es in Deutschland bereits Wassersport-Angebote für Long-Covid-Erkrankte gäbe, der Kanuverband verneinte. Daraufhin nahm Heinz Ehlers Kontakt zur „Post-Covid“ Selbsthilfegruppe Wilhelmshaven und Wittmund auf und lud die Mitglieder ein, den Wassersport bei den NaturFreunden Wilhelmshaven bei einem ersten Termin kennenzulernen.

Im Juni 2022 lief daraufhin das regelmäßige Angebot für Long-Covid-Betroffene an, das neben Paddelsport-Übungen an der frischen Luft auch Entspan­nungssequenzen und freies Schwim­men umfasst. Heinz Ehlers ist wichtig, dass die Aktivitäten möglichst niedrigschwellig sind: „Die Teilnehmenden sollen ohne viel Kraft und ohne Druck die Gelegenheit bekommen, durch Übungen an der frischen Luft ihre Atmung zu verbessern, sowie durch ihre schonende Bewegungsabläufe Kondition und Konzentration zu verbessern. Aber das Ziel ist nicht unbedingt der körperliche Fortschritt, sondern das Ver­ständnis für die Erkrankung und nicht zuletzt der Austausch mit ebenfalls Betroffenen.“

Fehlende Aufklärung und mangelndes Verständnis

Da die Tagesform der Teilnehmenden teilweise stark schwankt, stehen die individuellen Bedürfnisse und Möglichkeiten jedes*r Einzelnen im Vordergrund. So kann es sein, dass Übungen im Kajak oder auf dem Stand-Up-Paddle-Board absolviert werden, aber auch am Ufer stehend oder auf einem Stuhl im Wasser sitzend. Heinz Ehlers erklärt: „Eine Übung kann zum Beispiel sein, im flachen Wasser das Paddel durch das Wasser zu führen und zu spüren: Wie fühlt es sich an, das Wasser beiseite zu schieben?“

Sechs Personen nehmen das Angebot derzeit wahr. Für Heinz Ehlers ist das ein guter Anfang: „Wir freuen uns, dass das Angebot angenommen wird und offensichtlich auch hilft. Die entspannten Gesichter der Teilnehmenden nach den Terminen sprechen für sich.“

Eine Hürde dabei, die Gruppe bekannter zu machen, ist laut Heinz Ehlers das fehlende Verständnis der Krankheit in der Gesellschaft. „Betroffene werden teilweise im eigenen Familien- und Freundeskreis nicht ernst genommen und für Hypochonder*innen gehalten. Andere haben Angst, ihr Arbeitgeber könnte ihre Dienstfähigkeit in Frage stellen und möchten sich darum nicht öffentlich als Betroffene zeigen“, so Heinz Ehlers. Fakt ist, dass viele an Long Covid Erkrankte nicht mehr arbeitsfähig sind und Frührente beantragen müssen, da ihre körperliche und kognitive Leistungsfähigkeit den beruflichen Anforderungen nicht standhält.

„Ich halte es für wichtig, mehr Aufklärung für dieses Krankheitsbild zu betreiben, so dass es in der Gesellschaft zu mehr Akzeptanz für Long Covid und die dadurch verminderte Leistungsfähigkeit der erkrankten Personen kommt. Betroffene würde ich gerne ermutigen, mit dieser Krankheit selbstbewusst umzugehen“, so Heinz Ehlers, der mittlerweile Beauftragter für Inklusion beim Stadtsportbund Wilhelmshaven ist.

Wassersport bei den NaturFreunden Wilhelmshaven

Die NaturFreunde Wilhelms­haven haben sich auf inklusiven Wassersport spezialisiert. Zu ihrem „Wasser-Fuhrpark“ gehören unter anderem Stand-Up-Paddling-Boards mit Auslegern und spezielle Aufsitz-Kajaks. Das Ziel der Ortsgruppe ist die Teilhabe aller Menschen am Paddelsport. An ihren inklusiven Wassersportangeboten können alle Menschen mit und ohne Einschränkungen teilnehmen.