Grünes Engagement von Rechts

Wie die Neue Rechte den Umweltschutz als Thema entdeckte – und warum

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Seit Jahren engagieren sich rechtsextreme Gruppierungen im Natur- und Umweltschutz. Sie plädieren für eine ökologische Landwirtschaft, für artgerechte Tierhaltung, wehren sich gegen Gentechnik und Atomenergie. Sie rufen auf zu veganer Ernährungsweise, sprechen sich für regionale Wirtschaftskreisläufe und für eine Abkehr vom Wirtschaftswachstum aus.

Dabei ist das Aufeinandertreffen von Rechtsextremismus und Natur- und Umweltschutz kein Zufall, sondern wohldurchdachte Strategie. Und zwar auch eine Strategie zur Eroberung der bürgerlichen Mitte, wie in diesem Zitat deutlich wird.

„Der Schutz der Heimat, die Erhaltung der kulturellen Vielfalt in Deutschland und Europa, und auch die Liebe zum Eigenen schließen Natur und somit den Naturschutz aus meiner Sicht automatisch ein. Das Bekenntnis zur Heimat und so auch zur Natur, zur Landschaft, zu den kulturellen Eigenarten, Bräuchen usw. ist aus meiner Sicht zweifelslos ein Merkmal rechter Weltsicht, nicht linker.“ (Philip Stein, 2017)

Stein ist rechtsradikaler Verleger und Leiter des rechtsextremen Netzwerkes Ein Prozent, das sich selbst als „Deutschlands größtes patriotisches Bürgernetzwerk“ bezeichnet. Er spricht sich für die „Wiedererweckung des Ökologiebegriffs für rechte Kreise“ aus und plädiert für „die Nutzbarmachung des Begriffs und des Themas“. Im Fahrwasser des „bürgerlichen Widerstandes“ (Pegida) gegen die „Veränderungen der Umwelt“ (Migration und Einwanderung) will Stein sein rechtsextremes Weltbild in der Mitte der Gesellschaft etablieren.

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Ein Blick auf die Aktivitäten rechtsextremer Zusammenschlüsse, Organisationen, Parteien und Bewegungen zeigt, dass der Ratschlag Steins längst befolgt wird.

Die Identitäre Bewegung, die zur sogenannten neurechten Strömung zählt, hat das Thema der regionalen Wirtschaftskreisläufe für sich entdeckt – sie vertreibt „identitäres Bier“. Auf ihrer Internetseite wirbt die Bewegung mit „engen Kontakten“ zu lokalen Brauereien. Die Aktivisten seien „bedacht, heimische Wirtschaftskreisläufe zu stützen. Dein Geld bleibt daher bei unseren Leuten.“ Wer „identitäres Pils“ kauft, unterstütze obendrein „patriotische Projekte und Aktionen in Deutschland“.

Zudem beherzigt die Bewegung einen anderen Ratschlag des Vordenkers Stein, nämlich „modern“, „hip“ und „öko“ zu sein. Ihre Aktivitäten inszenieren sie gerne in „Kulturlandschaften“ und Wäldern. Der Slogan dazu lautet „Heimatliebe“. Die jungen Menschen sehen aus wie Greenpeace-Aktivisten.

Die rechtsextremistisch-neonazistische Kleinpartei Der III. Weg zog unter anderem mit dem Slogan „Umweltschutz ist Heimatschutz“ in den Wahlkampf. Sie fordert eine umweltbewusste Energie- und Verkehrspolitik, eine Stärkung des Tier- und Artenschutzes, ruft zu Müllsammelaktionen auf und unterstützt ortsansässige Tierheime durch Spendenaufrufe. Ihr Ziel ist die „Wiederherstellung einer lebenswerten Umwelt, die Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes und die Förderung der Gesundheit“.

Auf Youtube kann man „autonomen Nationalisten“ beim veganen Kochen zusehen. Mit Sturmhauben und T-Shirts mit dem Konterfei von Adolf Hitler zeigen sie ihrem Publikum, wie Bratlinge zubereitet werden. Die industrielle Fleischproduktion halten sie für unmoralisch, weil Tiere hier zur Ware degradiert werden. Auch wegen des hohen Ressourcenverbrauchs sei die industrielle Fleischproduktion unmoralisch.

Nach Ansicht dieser kochenden „Nationalisten“ sollte jeder, der an einem „gesunden Zusammenleben von Mensch und Natur interessiert ist“, auf tierische Produkte verzichten. Und sie wissen auch, wer nicht an diesem Zusammenleben interessiert ist: die Bündnisgrünen, die sich mit „Gen-Kacke vollstopfen“. Einige ihrer Kochvideos wurden inzwischen zigtausendmal angesehen.

Im Jahr 2012 wurde bekannt, dass ökologische Betriebe aus der rechtsextremen Szene beispielsweise mit dem Gütesiegel Neuland zertifiziert wurden. Zwar fand der Neuland-Verein einen Weg, mittels Satzungsänderung rechtsextreme Biobauern wieder auszuschließen. Dafür muss solchen Bauern aber die rechtsextreme Weltanschauung nachgewiesen werden, was nicht immer ganz einfach ist. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass auch künftig braune Produkte den Weg in Bioläden finden.

Auch regionale Naturschutzbewegungen und bundesweite Aktionsbündnisse sind immer wieder Schauplätze versuchter oder gelungener rechter Unterwanderung. So gehörte Udo Pastörs, der damalige Landesvorsitzende der NPD Mecklenburg-Vorpommerns, zur Gründungsriege der Bürgerinitiative Braunkohle Nein. Dem Bündnis ging es um den Erhalt der Landschaft und um ein Zurwehrsetzen gegen ausländische Investoren. „Wir wollen keine Opfer von ausländischen Unternehmern sein, die ihren Gewinn in die USA abführen und dann einen verarmten Natur- und Wirtschaftsraum hinterlassen“, hieß es auf einem der Flyer der Initiative. Pastörs wurde 2007 per Mitgliederentscheid aus der Initiative ausgeschlossen.

Die Koordination der Initiative für eine gentechnikfreie Region Nebel / Krakow am See lag mehr als zwei Jahre in den Händen des NPD-Mitgliedes und Biolandwirtes Helmut Ernst. Im Interview mit der NPD-Parteizeitung gab er zu Protokoll: „Die Ernährungssouveränität der Völker soll schlichtweg gebrochen werden; im Sinne der Globalisierer kommt es zu einer Versklavung der Bauern weltweit. Vor diesem Hintergrund ähnelt Gentechnik durchaus einer Massenvernichtungswaffe.“

In strukturschwachen Regionen lassen sich seit Jahren sogenannte „völkische Siedler“ nieder. Sie inszenieren sich als Ökobauern, als Handwerker und naturverbundene Zugezogene. Sie veranstalten Sonnenwendfeiern, Volkstanzfeste und organisieren Zeltlager für völkische Jugendbünde. Sie verbreiten antisemitische und rassistische Propaganda. Ziel der völkischen Siedler ist „die lokale Raumergreifung“. Deutschlandweit geht man von mehreren Tausend solcher Siedler aus.

Auch das bereits erwähnte rechtsextreme Netzwerk Ein Prozent des Philip Stein engagiert sich mit einem Projekt Netzwerk Landraum: Völkische Siedler sollen „patriotische Leuchttürme errichten“. Ziel sei die Stärkung des ländlichen Raumes, es geht um Vernetzung, um nachhaltige Strukturverbesserung, um die Erhaltung von Rückzugs- und Besinnungsorten. Für diesen Zweck werden Investoren und bereitwillige „Landsiedler“ gesucht. Es gehe um „die Umstrukturierung des gesellschaftlichen Zusammenlebens und die endgültige Abkehr vom Wirtschaftswachstum“.

Andere sagen dazu Degrowth oder sozial-ökologische Transformation.

Lukas Nicolaisen

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