Wildes Deutschland – achtmal Natur zum Staunen

Soviel ist sicher: Dieser Sommer wird besonders. Und er wird anders, als Sie ihn sich vorgestellt haben. Erinnern Sie sich noch, als Ihr Arbeitgeber Sie aufforderte, ihre Urlaubswünsche für 2020 einzureichen? Damals waren Ihre Vorstellungen noch vage. Vielleicht mit dem Rad durch die Vogesen? Vielleicht mit einem Paddelboot in die polnischen Masuren oder vielleicht doch mal wieder einfach nur Ausspannen am Mittelmeer?

Sie wuchs, die Vorfreude, denn der Urlaub, diese zwei, drei Wochen, die man ganz privat einmal im Jahr nach den eigenen Vorstellungen verlebt, ohne Vorgaben, ohne Terminstress oder Dienstplan, der ist uns heilig! Sogar gesetzlich vorgeschrieben. Und in der Regel jene Zeit, die unseren Akku auflädt, unseren Kopf frei macht und der Seele gut tut. Doch in diesem Jahr wird alles anders! Die Bergwanderung in den Pyrenäen wird vermutlich genauso ins Wasser fallen wie der Strandurlaub in Spanien oder die geplante Kreuzfahrt. Aber sie wird ja doch kommen, die Urlaubszeit des Jahres 2020.

Noch wissen wir nicht genau, welche Beschränkungen Corona uns in diesem Sommer aufzwingen wird. Wir wissen aber, dass es sich lohnt, rauszugehen. Wir wissen, wie der freie Blick inspiriert, wie die Natur unser Herz erreicht, wie uns das satte Grün erfreut. Und wir wissen, dass es viele Orte in Deutschland gibt, an denen dies erfahrbar ist. Orte, an denen die Natur durchaus als „wild“ bezeichnet werden darf. Die Juniausgabe der NATURFREUNDiN, Mitgliedermagazin der NaturFreunde Deutschlands, präsentiert hier einige Tipps, die Ersatz schaffen könnten für die Costa del Sol, für die Bretagne oder die Fernreise. Natürlich müssen Sie sich informieren, welche Beschränkungen Corona vor Antritt Ihres Urlaubs notwendig macht. Aber träumen, das wird man ja wohl dürfen?

1: Mit dem Boot durch den Wald

Der Spreewald, ein Eldorado fürs Wasserwandern

Ein Labyrinth aus Wasserwegen. Einsame Kanäle, enge Fließe, scheinbar endlose Wasserläufe durch uralte Wälder, typische Spreewaldauen oder malerische Spreewalddörfer: Der Spreewald ist ein Eldorado fürs Wasserwandern. Bis auf 1.500 Kilometer Länge soll sich das Netz der verzweigten Spree und ihrer Nebenflüsse summieren, Schleusen regulieren den Wasserstand.

Übernachtungstipp
Jugendherberge Burg mit Zeltplatz, direkt an der Hauptspree gelegen
Jugendherbergsweg 8, 03096 Burg (Spreewald)
Telefon (035603) 225
jh-burg@jugendherberge.de

Mehr Informationen zum Reiseziel
www.spreewald-biosphaerenreservat.de

Es war die Eiszeit, die den Spreewald schuf. Gletscherwasser suchte sich vor einigen Zehntausend Jahren seinen Weg. Das Baruther Urstromtal füllte sich mit Schwemmsand, die Spree verzweigte sich später zum Delta und formte so die Grundlage für den Oberspreewald. Der beginnt nördlich der Stadt Cottbus und erstreckt sich bis nach Lübben. Etwas weiter flussab beginnt der kleinere, aber wesentlich wildere Unterspreewald.

Bootsvermietungen gibt es in jedem größeren Ort, man kann sich aber von Lübben, Lübbenau, Leipe oder Burg aus auch mit dem typischen Spreewaldkahn schippern lassen: Der Schiffer steht am Heck und stakt seinen Kahn voran. Doch auch mit dem Rad oder zu Fuß ist das Biosphärenreservat eine Reise wert: Nur wenige Regionen verfügen auf so kleinem Raum über solch eine große Vielfalt an unterschiedlichen Biotopen. Die Wege führen durch urwüchsige Hochwälder, durch Auen- und Wiesenlandschaften und vorbei an historischen Ortschaften, die nur über das Wasser zu erreichen sind.

Steffi Reichel

2: In den wilden Alpen

Das Berchtesgadener Land nahe des Watzmann

Paul Heyse, Deutschlands erster Nobelpreisträger für Literatur, geriet im Jahr 1910 ins Schwärmen, wenn er von seinen Ausflügen mit dem bayerischen Prinzregenten Luitpold auf dem Königssee fabulierte. Man „fuhr etwa in einer schön geschmückten großen Barke über den Königssee nach Bartholmä ... Oder man fuhr nach einem der weiter entlegenen Jagdhäuser, wo im Freien getafelt wurde.“

Übrigens fuhr hier schon damals ein Elektroboot. Auch heute kann man das Elektroboot nehmen, um eine der schönsten Alpentouren zu beginnen, ganz bequem und entspannt. Oder bei guter Kondition und Technik sowie absoluter Trittsicherheit über den 2.713 Meter hohen Watzmann kraxeln.

Der Königssee im Berchtesgadener Land ist etwas ganz besonderes und Teil eines Nationalparks sowie eines Biosphärenreservats. Mit seinem tiefen Einschnitt zwischen Gebirgswänden wirkt er wie ein Fjord und gilt als einer der saubersten Seen Deutschlands. Viel Ruhm, viel Ehre und deswegen nicht selten überlaufen.

Übernachtungstipp
Naturfreundehaus Wimbachgrieshütte (N 53) mitten im Nationalpark gelegen
83486 Ramsau
Telefon (08657) 794 40 01 
www.wimbachgrieshuette.de

Mehr Informationen zum Reiseziel
www.naturfreunde.de/natura-trail-das-wimbachtal

Wer sich am Watzmann ausprobieren will, kann sich aber auch von der anderen Seite her nähern und das Wimbachtal im Nationalpark ansteuern. Die NaturFreund*innen vom Bezirk München haben dort einen Natura Trail ausgewiesen, der auch weniger geübte Bergwanderer*innen zur Entdeckung von Geologie, Flora und Fauna einlädt.

Bei Anreisemöglichkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln starten wir in Ramsau an der Wimbachbrücke – zugleich Infostelle des Nationalparks –, durchqueren die Wimbachklamm, steigen entlang des Baches durch lichten Bergwald und queren den in der Eiszeit entstandenen mächtigen Schuttstrom von Dolomitgestein des Wimbachgrieses. Ebenso imposant ist der bis zu 1.000 Meter mächtige Dachsteinkalk, gebildet von Millionen und Abermillionen versteinerten Meeeresorganismen.

Taleinwärts lädt nach einer Tour mit rund 700 Höhenmetern die gemütliche Wimbachgrieshütte zum Verweilen und Übernachten ein. Bis hierher muss niemand bergsteigerische Fähigkeiten beweisen. Wer aber am nächsten Morgen zum Watzmann aufbrechen möchte, sollte Können, Erfahrung und Ausrüstung mitbringen. Die spektakuläre Alpenlandschaft von der Terrasse des Naturfreundehauses zu genießen, ist aber auch aller Ehren wert.

Hans-Gerd Marian

3: Deutschlands heißestes Gebirge

Die Eifel ist geprägt durch Vulkanismus

Man nennt sie „die blauen Augen der Eifel“: Maare sind riesige trichterförmige Krater, mit Wasser gefüllt. Entstanden sind sie durch Vulkanismus, durch gewaltige Wasserdampfexplosionen, ausgelöst von aufsteigendem heißen Magma beim Zusammentreffen mit Grundwasser.

Das größte und tiefste „blaue Auge“ der Eifel ist das Pulvermaar, südöstlich von Daun in Rheinland-Pfalz. Es ist beachtliche 72 Meter tief. Das Ulmener Maar in unmittelbarer Nähe der Stadt Ulmen ist das jüngste, es entstand erst nach dem Ausbruch des Laacher-See-Vulkans vor etwa 10.000 Jahren. Damals endete eine lange Periode mit Eruptionen. Ausbrüche von etwa 450 Vulkanen haben die Eifel über mehr als 40 Millionen Jahre immer wieder erschüttert.

Übernachtungstipp
Naturfreundehaus Laacherseehaus (F 27) liegt einen Kilometer vom See entfernt
Laacher-See-Str. 17, 56743 Mendig
Telefon (02652) 47 77
www.laacherseehaus.de

Mehr Informationen zum Reiseziel
www.geopark-vulkaneifel.de

„Die Eifel ist das größte Vulkangebiet Mitteleuropas. Sie ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse“, sagt Andreas Schüller, Geschäftsführer des Natur- und Geoparks Vulkaneifel. In der Osteifel kam es während der jüngsten 450.000 Jahre durchschnittlich alle 5.000 bis 10.000 Jahre zu einem Vulkanausbruch, schreibt das Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz. Vor rund 13.000 Jahren muss es besonders schlimm gewesen sein: Dort, wo sich heute das Kloster Maria Laach befindet, muss die Erdkraft sechs Kubikkilometer Material in die Atmosphäre geschleudert haben. Das Rheintal soll sieben Meter hoch mit Asche bedeckt gewesen sein und Ablagerungen konnten bis nach Südschweden und Norditalien nachgewiesen werden.

Noch heute gibt es Vulkanismus am Laacher See. Unter dem „blauen Auge“ liegt eine Magma-Kammer, die dafür sorgt, dass es ständig irgendwo brodelt und zischt. Man kann aber ganz beruhigt sein: Wissenschaftler*innen überprüfen den Untergrund regelmäßig und derzeit wird mit dem nächsten Ausbruch erst wieder in etwa 30.000 Jahren gerechnet. Es bleibt also genügend Zeit, eines der ältesten deutschen Naturschutzgebiete zu erkunden. Die Natur rings um den See wurde wegen ihrer geologischen und morphologischen Beschaffenheit bereits 1935 unter Schutz gestellt.

Kein anderer Landstrich ist in Deutschland so durch Vulkanismus geprägt wie die Eifel. Die Vulkaneifel trägt den stolzen Titel „UNESCO-Geopark“: Rund 100 Schlackenkegel und 70 Maartrichter prägen die Landschaft. Das wiederum macht sie zu einem der abwechslungsreichsten Wandergebiete in unserem Land: Der Ahrsteig begleitet die Ahr, den vielleicht romantischsten aller Nebenflüsse des Rheins, von der Quelle bis zur Mündung. Die Eifelleiter erklimmt das feurige Vulkangebiet des Brohltals und im Nationalpark Eifel gibt es einen Wildnis-Trail. Es gibt Lavaströme, mächtige Meeresablagerungen, tropische Riffe, jede Menge Höhlen und unzählige Mineral- und Kohlensäurequellen. Blau trifft hier grün: wildes Deutschland.

Nick Reimer

4: Aus Kalk gebaut

Der Albtrauf und die Schwäbische Alb

Als blaue Mauer hat der Dichter Eduard Mörike den Albtrauf einmal beschrieben. Und in der Tat ist dieser Trauf, diese Felskante, die größte Mauer, die Deutschland zu bieten hat: 200 Kilometer lang trennt sie das raue Hochplateau der Schwäbischen Alb vom sanften Vorland der Alpen. An manchen Stellen erhebt sich diese „Mauer“ bis auf 1.000 Meter über den Meeresspiegel. Das Besondere an ihr: Sie besteht aus Muschelkalk.

Es ist ungefähr 150 Millionen Jahre her, da dieses Gebiet ein Ozean war. Korallen besiedelten die Unterwasserwelt und bauten große Kalkgebirge. Dann aber hob sich der Boden und ein paar Millionen Jahre später sorgten Wind und Wetter dafür, dass die Mauer steht (und zwar länger, als manch Machthaber es sich je wünschte).

Übernachtungstipp
Naturfreundehaus Seltbachhaus (M 43) liegt zwei Kilometer vom Wasserfall entfernt
Seltbachtal, 72574 Bad Urach 
Telefon (07125) 74 20
www.M43.naturfreundehaus.de

Mehr zum Reiseziel
www.biosphaerengebiet-alb.de

Mit einer beeindruckenden Landschaft: Oben auf dem Plateau der Schwäbischen Alb lässt sich noch Wacholderheide finden, hier oben gibt es Streuobstwiesen und einen wilden Orchideenreichtum, den man in Deutschland wohl kein zweites Mal findet. Die kalkreichen Böden speichern Wärme, was Bocks-Riemenzunge oder Pyramiden-Orchideen sehr schätzen. An den Rändern begeistern markante Felsformationen und manch Wasserfall, wie der Uracher Wasserfall, über den bis zu 400 Liter pro Sekunde 37 Meter in die Tiefe rauschen. Das sind 2.400 Wassereimer in der Minute.

Zwar sind weite Teile der Schwäbischen Alb Kulturlandschaft, also von des Menschen Hand geprägt. Beispielsweise ist die Alb das burgenreichste Gebirge Deutschlands, Schloss Lichtenstein liegt mitten auf dem Albtrauf. Trotzdem – oder gerade deshalb – sind weite Teile der Mittleren Schwäbischen Alb Biosphärenreservat, was hier Biosphärengebiet genannt wird: wildes Deutschland, vom Menschen geformt. Besonders gut kann man das über den Albsteig entdecken, der auf über 350 Kilometern von Donauwörth bis Tuttlingen immer entlang der spektakulären Albtraufkante führt.

Nick Reimer

5: Wo sich die Landschaft ständig ändert

Friesisch herb: das Wattenmeer im Jadebusen

Der Jadebusen ist wie die Deutsche Bucht in klein: ein Teil der küstennahen Nordseelandschaft, geprägt von Ebbe und Flut, von Brackwassergebieten und Sandbänken, von Meeresbrandung und Schlick. Auch im Jadebusen ändert sich die Landschaft ständig, es ist ein ständiges Kommen und Gehen des Wassers, der Tidenhub beträgt bis zu 4,30 Meter.

Übernachtungstipp
Naturfreundehaus Zetel (C 8) liegt 20 Kilometer westlich des Jadebusens
An der Hasenweide 42a, 26340 Zetel
Telefon (04453) 32 47
www.C8.naturfreundehaus.de

Mehr zum Reiseziel
www.nationalpark-wattenmeer.de

Vogelliebhaber kommen hier auf ihre Kosten: Der Jadebusen ist ein bedeutendes Vogel-Rastgebiet, es gibt dort keine Bodenraubtiere, seit 1973 gilt ein ganzjähriges Jagdverbot. Die Watvögel scheinen das zu wissen, denn sie sind sehr zahlreich. Und um die Meeresbucht herum gibt es eine einzigartige Landschaft, die zwar vom Menschen geprägt, aber doch wild und urtümlich geblieben ist. Zum Beispiel das Schwimmende Moor. Es liegt bei Sehestedt am östlichen Jadebusen und ist ein Naturschutzgebiet besonderer Art. Es ist das einzige Außendeichsmoor auf der Welt und daher streng geschützt. Doch der Besuch ist möglich und lohnt sich.

Durch den Schutz des Jadebusens haben sich seeseits der Deiche breite Salzwiesengürtel entwickelt. Hier werden über 40 Prozent des Deichvorlandes durch Beweidung landwirtschaftlich genutzt. Da Deiche dynamische Bauwerke sind und somit Setzungen und Sackungen unterliegen, ist ihr Ausbau seit Jahrzehnten Daueraufgabe. Nur durch Deichbau sowie Be- und Entwässerungssysteme ist der durch Überschwemmungen geprägte Naturraum bewohn- und bewirtschaftbar.

Zudem muss künftig auch auf globale Veränderungen, wie etwa den langsamen aber spürbaren Meeresspiegelanstieg, reagiert werden. Vor diesem Hintergrund hat der Landkreis We-sermarsch ein besonderes Projekt ins Leben gerufen – die „Mottotour Klimawandel“. Diese Tour soll auf die Veränderungen durch die Erderwärmung an der Küste der Region aufmerksam machen.

Joachim Nibbe

6: Das Glück in den Schrammsteinen

Die Sächsische Schweiz bietet bizarre Sandsteinformationen

Das Ganze ist im Meer erstanden: Zu Beginn der Oberkreidezeit, also vor etwa 100 Millionen Jahren, waren weite Teile Mitteleuropas überflutet. Nach und nach spülten die Flüsse der Umgebung Sand in diesen Ozean. Sand schichtete sich auf Sand und verdichtete sich und wurde von neuem Sand verschüttet und durch die Flüsse von noch mehr überspült. Ein paar Millionen Jahre später hob sich das Gebiet und aus dem einstigen Kreidemeer wurde später das, was wir heute im Grenzgebiet zwischen Tschechien und Sachsen bestaunen können: ein Sandsteingebirge an der Elbe, das gut 350 Quadratkilometer große Elbsandsteingebirge.

Besonders wild ist dieses Gebirge in den Schrammsteinen. „Schrammen“ bedeutet im mittelhochdeutschen Sprachgebrauch „aufreißen“. Und hier, im östlich von Bad Schandau gelegenen Felsmassiv, sind die Sandsteine besonders zerklüftet und „aufgerissen“. Das Wandergebiet ist auch bei Kletternden wegen seiner Schwierigkeit verehrt: Die Schrammsteine bieten schroffe Aufstiege, markante Felsen, tiefe Schluchten, wilde Gratwege und spektakuläre Aussichten ins Gebirge.

Übernachtungstipp
Naturfreundehaus Königstein (S 9) sechs Kilometer von den Schrammsteinen entfernt
Halbestadt 13, 01824 Königstein
Telefon (035022) 99 48 0
www.familienoase-koenigstein.de

Mehr Informationen zum Reiseziel
www.nationalpark-saechsische-schweiz.de

Von Bad Schandau und Postelwitz kommend, erreicht man über den „Obrigensteig“ das „Große Schrammsteintor“. Weniger beschwerlich ist der Anstieg über den „Lattengrund“, nach einer dreiviertel Stunde ist die Schrammsteinkette erreicht. Der Weg windet sich am „Schrammtorwächter“ vorbei, „eine kühne Felsnadel unmit-telbar südlich vom Schrammsteintor, namentlich von Osten gesehen einer der schönsten Felsgestalten der ‚Sächsischen Schweiz‘“, heißt es im Kletterführer von 1908. Jahrzehntelang vom Norden vergeblich bestürmt und schließlich für unbezwingbar erklärt, schaffte es 1905 Oliver Perry-Smith endlich, den „Schrammtorwächter“ zu erklettern: Der US-Amerikaner war kühn genug, es vom steilen Süden aus zu versuchen, mit der Schwierigkeit VI eine noch heute nur für gut trainierte Kletterer*innen bezwingbare Route.

Eine Viertelstunde später steigen Wandernde selbst in den Felsen ein: Hinter der „Jungfer“, ebenfalls ein markanter Klettergipfel, führen Stiegen und Metalltreppen den „Wildschützenstieg“ hinauf zur „Schrammsteinaussicht“. Eng ist es in der Schlucht, manchmal weht ein kühler Hauch von unten, moosgrün glänzen die Felsen oder sattgelb: Schwefelflechten färben die Steine. Schwitzen ist hier programmiert, aber auch die Mystik, die hinter den Sandsteinen lauert.

Schließlich der Ausblick, der auf 417 Höhenmetern erreicht ist: Die „Schrammsteinaussicht“ gibt den Blick über das Kirnitzschtal frei, genauso wie zu den „Affensteinen“ im Norden, dem „Großen Winterberg“ im Osten und zur Elbe im Süden. Und den Blick auf die Kletternden am „Dreifingerturm“, am „Hohen Torstein“ oder an der „Schrammsteinnadel“. Glücklich sein, hier oben erfährt man, wie sich das anfühlt.

Geübte Fußläufer*innen können es von der „Schrammsteinaussicht“ übrigens bequem über den „Gratweg“ bis zum „Großen Winterberg“ schaffen, mit 551 Metern einer der höchsten Berge der Sächsischen Schweiz. Spektakuläre Aussichten sind die Belohnung. Und vielleicht versucht sich gerade eine Seilschaft an der „Reginawand“, einem besonders schweren Kletterweg. Werden es die Bergsteiger*innen schaffen?

Nick Reimer

7: Buchen, überall Buchen

Ein Urwald mitten in Deutschland: der Nationalpark Hainich in Thüringen

Zum Beispiel der Luchs. Pünktlich zum 20. Geburtstag ist dem Nationalpark Hainich eine der äußerst seltenen Tiere in die Falle gegangen. „Wir freuen uns sehr“, sagt Nationalparkleiter Manfred Großmann. Es war natürlich eine Fotofalle, die im Januar 2018 zuschlug: „Nach den eindeutigen Luchsspuren an einem geris-senen Reh hat uns der Luchs lange mit einem Fotonachweis zappeln lassen“, sagt Großmann. Denn so ein eindeutiger Schnappschuss ist ja irgendwie auch Wertschätzung der Arbeit seines Teams: Der Luchs ist zurück, hier im größten zusammenhängenden Buchenwald Deutschlands.

Übernachtungstipp
Naturfreundehaus am Meinhard (H 4) liegt etwa 20 Kilometer westlich des Hainich
Meinhardsruh 3, 37276 Meinhard-Neuerode
Telefon (05651) 508 09
www.H4.naturfreundehaus.de

Mehr Informationen zum Reiseziel
www.nationalpark-hainich.de

Der Hainich war jahrzehntelang militärisches Sperrgebiet: Zuerst nutzte in den 1930er-Jahren die Wehrmacht das Gebiet in Westthüringen als Schießplatz, nach dem Zweiten Weltkrieg dann die Sowjetarmee und später auch die NVA der DDR. Wo geschossen wird, ist drum herum nicht viel los im Wald, weshalb sich große Teile des 7.500 Hektar großen Gebirges in den vergangenen 80 Jahren ungestört entwickeln konnten. 1996 beschloss der Thüringer Landtag, den Wald unter Schutz zu stellen. Die Natur sollte sich schrittweise das zurückholen, was ihr zuvor mit der Kultivierung durch den Menschen abhandengekommen war: unversehrte Wildnis.

Rückblickend mit beeindruckendem Erfolg: Ein großer Teil der Jahrzehnte lang unzugängli-chen Gebiete hat sich zum Urwald zurück verwandelt, seit 2011 ist er Weltnaturerbe. „Unser Vorteil ist, dass wir eine sehr naturnahe Bestockung haben“, sagt Manfred Großmann, der von Anfang an dabei war. Will heißen: Nadelbäu-me gibt es hier so gut wie nicht, dominierender Baum ist die Rotbuche, die als „Mutter des Waldes“ in weiten Teilen Mitteleuropas einmal der vorherrschende Bewuchs war. Daneben gibt es Eschen, Elsbeeren, Eichen, Linden oder Ahorne – und jede Menge Totholz.

„Totholz bedeutet ja nicht, dass es in ihm kein Leben gibt“, sagt Manfred Großmann. „Ganz im Gegenteil: Etwa ein Viertel der Waldbewohner ist auf Totholz angewiesen.“ Es ist für zahlreiche Vögel, Insekten, Kleinsäuger, Reptilien und Amphibien Lebensraum oder Nahrungsquelle. Und für die Besucher*innen sind die moosbewachsenen Resthölzer, die überall auf dem Waldboden rumliegen, die ideale Staffage eines Märchenwaldes.

Zwei Dutzend Orchideen-Arten gedeihen im Hainich, es gibt rund 900 bisher nachgewiesene Farn- und Blütenpflanzen, aber auch unter den Moosen und Flechten viele seltene und gefährdete Arten. Im Hainich leben Waldeidechsen, Baumfalken, Dammwild, mehrere Fledermaus-arten, eine kleine Wildkatzen-Population – und neuerdings auch der Luchs?

Manfred Großmann würde das so sicherlich nicht bezeichnen, denn die größte Raubkatze Europas legt bis zu 50 Kilometer am Tag zurück, hat also ein sehr großes Revier. Aber immerhin scheint sich das schäferhundgroße Tier im neuen Urwald wohlzufühlen: Es gibt in Deutschland keine 200 Exemplare. Doch hier fühlt sich der Luchs sichtlich wohl.

Nick Reimer

8: Das Vermächtnis der Tropfen

Ein Höhlensystem im Westerwald: die Schauhöhle Breitscheid in Hessen

Diese Wildnis ist noch nicht einmal komplett erforscht: Im Westerwald bei Breitscheid liegt das Herbstlabyrinth-Adventhöhle-System, von dem bislang zwölf Kilometer bekannt sind. Forscher*innen erkunden es nach wie vor, es handelt sich um das größte Höhlensystem Hessens. Mittlerweile ist ein Teil als Schauhöhle konzipiert ist, Besucher*innen können die 80 Meter lange Knöpfchenhalle besichtigen, in der fast alle in der Höhle vorkommenden Tropfsteinarten zu sehen sind. Auch einen 30.000 Jahre alten Höhlenbärenknochen gibt es zu begutachten, sowie einen extrem sauberen, weißen bis durchsichtigen und unberührten Sinterschmuck, der in weitem Umkreis seinesgleichen sucht.

Übernachtungstipp
Naturfreundehaus Eisenwaldhütte (G 10) liegt 30 Kilometer nördlich der Höhlen (nur für Gruppen)
Am Hamerich 5 (Hitschelsbachtal), 57074 Siegen 
Telefon (0271) 33 19 39
www.G10.naturfreundehaus.de

Mehr Informationen zum Reiseziel
www.schauhoehle-breitscheid.de

Das Höhlensystem liegt nahe des Dreiländerecks Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen. Der Kalk ist dort auf einer Fläche von etwa zwei Quadratkilometern nicht von anderen Gesteinsformationen überdeckt. Neben dem Herbstlabyrinth-Adventhöhle-System gibt es noch 32 weitere Höhlen, unter anderem die Erdbachhöhle, die mit knapp 101 Metern als tiefste Höhle Hessens gilt.

Doch auch oberirdisch gibt es vieles zu entdecken. Der Karst- und Höhlenpfad bietet einen Einblick in die Phänomene des Karstes, der Nationale Geopark Westerwald-Lahn-Taunus gibt Einblick in 400 Millionen Jahre Erdgeschichte. Erstaunlich ist ein Bach, der am Ortsrand von Breitscheid im Boden verschwindet, durch die Erdbachhöhle fließt und gut einen Kilometer östlich bei Erdbach als Karstquelle wieder zutage tritt.

Nick Reimer

Download: alle Tipps mit großartigen Fotos in einem Magazin, der NATURFREUNDiN 2-20

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© 
83486 Ramsau
Übernachtungsplätze vorhanden
vollbewirtschaftet
Naturfreundehaus Zetel
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26340 Zetel
Übernachtungsplätze vorhanden
Selbstversorgerhaus
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37276 Meinhard-Neuerode
Übernachtungsplätze vorhanden
Selbstversorgerhaus
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57074 Siegen
Übernachtungsplätze vorhanden
Selbstversorgerhaus
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56743 Mendig
Übernachtungsplätze vorhanden
vollbewirtschaftet
© 
72574 Bad Urach
Übernachtungsplätze vorhanden
Verpflegung nach Absprache