Wie billige Fernreisen die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten im globalen Tourismus beeinträchtigen
Der Tourismussektor boomte bis zum Ausbruch der Pandemie – doch die Reiselust ist weiterhin vorhanden. Sobald Reisebeschränkungen gelockert wurden oder werden, geht das Reisen wieder los – gern auch weit weg und möglichst günstig soll es bei vielen sein. Doch wer bezahlt dafür, dass wir so preiswerte Pauschalreisen, Hotelzimmer oder gastronomische Angebote bekommen? Und wen hat das Ausbleiben der Tourist*innenströme am meisten getroffen?
Prekäre Arbeitsbedingungen
Von den Pandemie-Auswirkungen am stärksten betroffen sind die Menschen, die ihren Arbeitsplatz im Tourismus haben. Jede*r elfe Arbeitnehmer*in weltweit ist im Tourismus tätig. Doch die Arbeitsbedingungen im Tourismus sind häufig – vor allem im globalen Süden, aber nicht nur dort – sehr prekär: Outsourcing, Sub-Contracting, Zero-Hour-Contracts und Scheinselbständigkeit sind Beispiele für Strategien, um Arbeitsstandards zu unterlaufen. Hinzu kommt, dass 50 Prozent aller weltweit im Tourismus Beschäftigten im informellen Sektor tätig sind und somit keinerlei soziale Absicherungen haben. Für im informellen Sektor Beschäftigte bedeutet die Corona-Pandemie oft den kompletten Verlust ihres Einkommens. Die Mehrheit der informellen Arbeitsplätze finden sich in Ländern des globalen Südens.
Doch auch in Deutschland gehört die Tourismusbranche zu den Wirtschaftszweigen mit den schlechtesten Arbeitsbedingungen. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung wird vor allem im Gastgewerbe am häufigsten der Mindestlohn umgangen und die Anzahl der geringfügig Beschäftigten steigt im Vergleich zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigeten stärker an. Weltweit gibt es besonders im Tourismussektor eine große Anzahl von Jobs, die nur eine geringe Qualifikation voraussetzen. Das führt dazu, dass Personal schnell ausgetauscht werden kann – eine schlechte Voraussetzung, um sich als Arbeitnehmer*innen zu organisieren und sich für faire Arbeitsbedingungen einzusetzen.
Frauen im Tourismussektor
Frauen bilden weltweit die Mehrheit der Beschäftigten in der Tourismusbranche, vor allem der prekär Beschäftigten. Während in höheren Managementebenen der Frauenanteil geringer ist als der von Männern, ist ihr Anteil bei gering qualifizierten und schlechter bezahlten Jobs unproportional höher. Frauen verdienen laut dem Global Report on Women in Tourism der Welttourismusorganisation (UNWTO), einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen, fast 15 Prozent weniger als Männer. In Familienbetrieben kommt es sogar häufig zu unbezahlter Arbeit von Frauen. Ein Ergebnis des Berichtes ist auch, dass die Mehrheit der im Tourismus Beschäftigen unter 35 Jahren alt ist. Die Jobs in der Reisebranche sind vor allem für junge Menschen, Frauen und Migrant*innen der Einstieg in die Arbeitswelt.
Besonders Frauen, die aus dem globalen Süden nach Europa eingewandert sind, arbeiten oft als Raumpflegerinnen in großen Hotels. Sie haben nicht vom Wachstum der Branche profitiert, sondern spürten den Tourist*innenansturm nur durch höhere Arbeitsbelastung. In Spanien haben sich deshalb Raumpflegerinnen in der Gewerkschaft Las Kellys organisiert. Ihre Antwort auf die schlechten Arbeitsbedingungen ist die Gründung eines eigenen Buchungsportals. Hotels, die ihr Personal nicht nach Mindeststandards behandeln, sollen ausgeschlossen werden. Las Kellys möchten 2022 mit diesem Portal starten. Die Bewegung der Frauen in Spanien hat Aufmerksamkeit erreicht und eine erhöhte Sensibilisierung für diese Arbeitsbedingungen. Aber der Weg zu tatsächlich menschenwürdigen Arbeitsbedingungen im Tourismus ist noch weit.
Hotelpersonal im globalen Süden
Die schlechten Arbeitsbedingungen für Hotelpersonal gibt es weltweit. Und auch in Hochburgen des Tourismus im globalen Süden sind es oft Migrant*innen, die diesen prekären Arbeiten nachgehen. In thailändischen Hotels arbeiten beispielsweise viele Menschen aus Myanmar und Laos. Als Hotels und Restaurants wegen der Pandemie schließen mussten, waren sie die ersten ohne Jobs. Viele Wanderarbeiter*innen kehrten in ihre Heimatländer zurück. Den Familien daheim fehlt aber die finanzielle Unterstützung, die sie bis dahin von ihren im Ausland tätigen Angehörigen bekommen haben. Die Pandemie zeigt, wie fragil der Tourismussektor ist und wie prekär seine Arbeitsbedingungen.
Laut dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) werden dank der Reisen und Ausgaben von Tourist*innen aus Deutschland fast 1,8 Mio. Jobs in den Entwicklungs- und Schwellenländern geschaffen. Das ist gut und wichtig, Tourismus war und ist für viele Länder eine erhebliche Einnahmequelle. Dennoch sollte die Qualität der Arbeitsplätze in Betracht gezogen werden; auch bei der Buchung einer Reise.
Was können Reisende tun?
Wir als Reisende können durch unser Handeln die Arbeitsbedingungen in der Tourismusbranche beeinflussen.
Wir könnten zum Beispiel:
- Im Vorfeld der Reise Erkundigungen zu den Arbeitsstandards im Zielland einholen,
- vor der Hotelbuchung nach Informationen zum Anbieter raussuchen,
- Reiseveranstalter nach den Auswahlkriterien ihrer Partner (Hotels, Agenturen) vor Ort befragen,
- Hotel und Agenturen nach Zertifizierungen und Siegeln auswählen,
- vor Ort sich nach den Arbeitsbedingungen von lokalen Angestellten erkundigen,
- auch bei Individualreisen auf Arbeitsbedingungen achten.
Bestimmte Zertifizierungen geben an, inwieweit Sozialstandards eingehalten werden. Es gibt zwar bisher wenige Siegel, die explizit Arbeitsbedingungen als Kriterium haben, das Thema rückt aber immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Ein Wegweiser durch die Landschaft der Siegel (siehe Linkbox) gibt Orientierung bei der Suche nach passenden Anbieter*innen.
Informiere dich und sensibilisiere auch dein Umfeld, bevor es auf eine Reise geht!