Sechs Wochen als Freiwilliger auf dem Feldberg

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Bruno M. Buchholz (68) – ehemaliger Gesamtschullehrer aus dem nordrhein-westfälischen Dorsten – arbeitete vom 17. August bis zum 29. September 2017 als Freiwilliger im Naturfreundehaus Feldberg (L 40). Dies ist sein Bericht:

.„Fünf Stunden am Tag arbeite ich für euch – der Rest der Zeit ist für mich, bei freier Kost und Logis.“ Das war der Deal. Nur zur Hälfte ist daraus etwas geworden, was aber gar nicht so schlecht war. Doch der Reihe nach.

Zu Beginn des letzten Jahres war die Absicht gereift: Jetzt, als Pensionär und 68 Jahre alt, bewirbst du dich als Helfer für sechs Wochen beim Naturfreundehaus Feldberg (L 40). Den Schwarzwald habe ich schon oft durchwandert und kenne auch das Naturfreundehaus, die NaturFreunde sowieso. Mein erstes Mitgliedsbuch stammt aus dem Jahr 1978 und auch das „Manifest für eine soziale und ökologische Transformation“ vom 30. NaturFreunde-Bundeskongress habe ich gelesen. Aber praktisch bin ich im Verband viel zu untätig. Also klar: Wenn Sommerjob, dann auf dem Feldberg. „Berg frei“!

Morgens um Viertel vor sieben bin ich in der Küche. Frühstück vorbereiten für bis zu vierzig Personen, mit allem, was in solch einer Herberge erwartet werden kann: Vorzugsmilch, Vorzugsbutter, Biojoghurt und -quark von der Erzeugerin, frische Kräuter aus den Gärten am Haus. Sind Kinder da, braucht es handgemachten Kakao und jede Menge Gurkenscheiben. Die sind ein Renner, direkt nach „Bio-Nutella“. Glücklicherweise ist ab Viertel nach sieben ein junger Kollege dabei, sonst hätte ich es nicht geschafft. Bis alles gespült, aufgeräumt, verpackt und geputzt ist, wird es zehn Uhr.

Bruno M. Buchholz (68) ist seit dem Jahr 1978 Mitglied, zuletzt in der Ortsgruppe Gelsenkirchen. In jüngeren Jahren lernte er in diversen NaturFreunde-Lehrgängen das Wandern und Bergwandern, unternahm dann in den Ferien oft lange Wanderungen mit Zelt und Rucksack und war auch häufig auf dem Weitwanderweg „Grande Traversata delle Alpi“ (GTA) unterwegs. Obwohl Bruno sich bisher in seiner Ortsgruppe kaum engagierte, übernachtete er möglichst oft in Naturfreundehäusern und versuchte, die Ideen der NaturFreunde immer wieder in der Schule einzubringen, etwa bei Klassenfahrten in Naturfreundehäuser, der Verankerung des Themas Nachhaltigkeit in schulischen Lehrplänen oder bei „Sozialen Wanderungen“ mit Schülern im Ruhrgebiet. Nun, nach seiner Pensionierung, will er die passive in eine aktivere Mitgliedschaft transformieren, zum Beispiel durch „Subbotniks“ in Gelsenkirchen und natürlich im Naturfreundehaus Feldberg (L 40).

Ich habe jeden Tag große Pläne und will handwerklich zupacken. Deshalb sieht man mich auch mit Arbeitsjacke, Schreinerschürze und Werkzeugkasten herumlaufen. Wie Meister Eder. Ich drehe Schrauben ein, ersetze defekte Glühbirnen, repariere Schlösser, rasple Eselsbisse weg – es gibt hier tatsächlich Esel – und säge Bretter und Leisten zurecht. Ich darf alles, ohne alles zu können.

In so einem Haus gibt es ein Meer von Möglichkeiten und ich weiß manchmal gar nicht, wo ich ein- und auftauchen soll. Aus dem Tagesgeschäft der Küche halte ich mich möglichst raus. Wenn es eng wird, packe ich auch beim Bettenmachen und Zimmereinigen an. Mittags kann ich mich prima selbst versorgen, warmes Essen gibt es hier abends.

In den ersten drei Wochen gehe ich noch alle zwei Tage zwei Stunden lang joggen. Dann nicht mehr. Es ist zu viel zu tun, zum Beispiel eine alte Schulbank umzubauen in einen brauchbaren Tisch für die neue E-Bike-Lade-Station des Naturfreundehauses. Allerdings: Mit der kleinen Tischkreissäge eine Platte ohne ausreichend breiten Sägetisch maßgenau zu schneiden, fordert mich bei dem gefundenen Rohling schon ganz schön heraus. Aus der alten Platte will ich zudem Fachböden für einen Wäscheschrank fabrizieren.

Abends bin ich dann ganz anders gefordert: Handle ich nach dem guten Recht aller abhängig Beschäftigten – meine Arbeitszeit ist längst um – oder nach dem guten Motto der NaturFreunde: Wenn es was zu tun gibt, dann los? Auf jeden Fall will ich bei den Schlussarbeiten in der Küche dabei sein. Schon damit ich im Schlaf weiß, dass die Küche für das Frühstück in Ordnung ist. Wenn der Schankbetrieb eingestellt ist, ist es in der Küche zudem ganz gemütlich: trockener Gutedel, Bioäpfel, Zeitungen. Auch das WLAN ist hier gut und ich kann mit meiner Tochter skypen. Um 23 Uhr falle ich dann ins Bett und schlafe sofort und ohne aufzuwachen. Das habe ich Zuhause jetzt zwei Jahre nicht gebracht. Es ist wunderbar.

Pilzexperten, Bergwächter und Schüler
Über die Gäste könnte ich Romane schreiben. Wer hier alles reinkommt. Der Drachenbauexperte, der Pilzexperte, die Schmetterlingsexpertin, Nordic-Walking-Experten, dazu Bergwächter, Natur- und Erlebnispädagogen und Schüler und viele, viele mehr. In der Speisekarte steht: „Unser Naturfreundehaus Feldberg ist ein lebendiger Ort der offenen Begegnung. Alle Gäste mit demokratischer und toleranter Grundhaltung sind herzlich willkommen.“ Das ist schön, anscheinend aber auch ohne abschreckende Wirkung. Deshalb kommt es schon mal zu kräftigen Diskussionen.

Die Köchin ist eine Super-Fachfrau, die nicht nur gut kocht, sondern oft „Hüttenwirtin in Vertretung“ ist und gerne NaturFreunde-Normen mit -Wirklichkeiten vergleicht. Dauernd da, wo er gebraucht wird, ist ein junger Minijobber. Allerdings: In eine 20-Stunden-Woche passt dasjenige, was er alles macht, nun überhaupt nicht. Und ganz neu ist ein junger Bundesfreiwilliger. Noch hat er die Ruhe weg. Als ich den Hüttenwirt das erste Mal sehe, kommt mir sofort der Roman „Ein ganzes Leben“ in den Kopf. Heinz Blodek trägt einen dichten Bart und beeindruckt mich: Wie und was er mit den Gästen spricht und auch mit mir. Er ist viel gefragt und soll überall sein. Robert Seethalers Protagonist und der NaturFreunde-Hüttenwirt: Sie sind ganz anders und doch sehr ähnlich.

Mein Denken in Büchern überschlägt sich, als ich den „alten Burschen“ kennenlerne, wie ich den ehrenamtlichen Hausreferenten Hans Seybold fortan nenne: älter und jünger als alle anderen hier, Seumes „Spaziergang nach Syrakus“ und Gramscis „Gefängnishefte und Gefängnisbriefe“ in einer Person. Ein Weltenwanderer, politischer Nach- und Vordenker und zugleich tätiger „Geheimer Rat“ für das Naturfreundehaus. Wenn er mit seinem E-Bike auf den Hausplatz fährt, freue ich mich immer besonders.

Lernen, wie Schonbezüge gesaugt werden
An einigen Tagen kann ich noch eine weitere „Arbeiterin“ im Naturfreundehaus bewundern, so alt und unglaublich fit und mit einer wunderbaren Sprache: genau-langsam-deutlich. Von ihr lerne ich, wie die Matratzenschonbezüge mit einer besonderen Staubsaugerbürste abzusaugen sind, wie richtig geputzt wird und mehr: Immer noch reist sie in das senegalesische Naturfreundehaus und hält uns abends einen Lichtbildervortrag über die Reise. Bücher hat sie auch dabei und bringt mich dazu, Peter Ustinovs „Der alte Mann und Mr. Smith“ zu lesen. Ihr gefällt das Dahinterdenken in diesem Roman.

Selbstversorger sind im Naturfreundehaus erwünscht und haben eine eigene Küche. Sie können aber auch die Hauptküche nutzen. Da heißt es dann aufpassen und sich nicht im Weg stehen. Mir scheint, viele NaturFreunde verstehen sich immer auch als Selbstversorger. Egal, ob sie es sind oder nicht, besonders die „Hausvertrauten“. Viele denken sehr gut mit, dann aber nervt es auch, wenn die Vorbereitungen für das Tagesgeschäft plötzlich woanders stehen oder abends die Kipppfanne nicht zugänglich ist. Vor Viertel vor sieben ist schon Kaffee gekocht, „nächtliche Spuren“ sind aus dem Gastraum geräumt und die Fenster zum Lüften geöffnet. Wie das? Ganz unaufdringlich mischt sich ein Dortmunder Häufiggast mit Blick fürs Gastronomische in das Frühstücksgeschehen. Was für ein Glück für mich.

Am Ende meines sechswöchigen Freiwilligenaufenthaltes ziehe ich ein Resümee. Viele private Vorhaben sind in der Arbeit untergegangen, auch die Neuausgabe von Peter Weiss’ „Ästhetik des Widerstands“ geht ungelesen zurück. Dennoch hat der Feldbergaufenthalt bei mir etwas geändert: „Wer geht, sieht im Durchschnitt anthropologisch und kosmisch mehr, als wer fährt.“ Wer bei den NaturFreunden am Tag viel arbeitet und dann gut schläft, auch. Vieles hat sich in meinem Kopf bewegt: Ich werde hier ganz gut gebraucht. Ich werde Zuhause auf jeden Fall anders einkaufen. Und sollte ich nicht dem Naturfreundehaus meiner Ortsgruppe zwei Tage im Monat unbezahlte Arbeit anbieten?

„NaturFreunde bewegen“ steht auf der grünen Stofftasche, in die der „alte Bursche“ Abschiedsgeschenke eingepackt hat. Für mich finde ich darin vor allem diesen Gedanken: Es wird höchste Zeit, dass du deinen „Ruhestands-Modus“ ausknipst und den „Realitäten“ im Denken und Handeln wieder vorauseilst. Soll ich im nächsten Sommer wiederkommen? Meiner Tochter sage ich: „Wahrscheinlich ja, wenn die wollen. Aber dann mit viel weniger Büchern und Aufsätzen. Und mit einem richtigen Blaumann.“

Bruno M. Buchholz

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79868 Feldberg
Übernachtungsplätze vorhanden
vollbewirtschaftet