Der Tod "made in Germany"

Deutschland ist zum viertgrößten Waffenproduzenten der Welt aufgestiegen

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Was für ein Wachstum! Zwischen den Jahren 2014 und 2018 legte die globale Waffenproduktion um 7,8 Prozent gegenüber der vorherigen Fünfjahresperiode zu. Das geht aus dem Waffentransfer-Trendrapport des Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI hervor.

Insgesamt gaben die Staaten im vergangenen Jahr 1,64 Billionen Euro für Waffen aus, der höchste Wert seit 1988. Verglichen mit dem Fünfjahreszeitraum 2004 bis 2008 betrug das Wachstum sogar 23 Prozent. Fast ein Viertel mehr neue Waffen in nur 14 Jahren! Betrachtet man den SIPRI-Bericht genauer, sind es fünf Staaten, die den Weltmarkt beherrschen.

Hinter USA, Russland und Frankreich rangiert Deutschland an vierter Stelle vor China. Drei von vier Waffen dieser Welt werden in diesen fünf Ländern hergestellt. Wobei es den deutschen Todesschmieden gelang, ihren Abstand zur chinesischen Konkurrenz auszubauen: China legte im letzten Fünfjahreszeitraum "nur" 2,7 Prozent zu, Deutschland um 13 Prozent. Und? Interessiert Sie, wo überall deutsche Waffen auf dieser Welt Unglück schaffen? Die Bundesregierung erweckt öffentlich immer wieder den Eindruck, sie kontrolliere und reglementiere Waffenexporte stark und genehmige diese nur, "wenn zuvor der Endverbleib dieser Güter im Endempfängerland sichergestellt ist", wie der Rüstungsexportbericht 2003 formuliert. Diese Passage fand später Eingang in die Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern.

Dort sind eine ganze Reihe weiterer Bedingungen für eine Genehmigung festgeschrieben. Es heißt etwa: Zwingend für einen positiven Bescheid sei die "Einhaltung internationaler Verpflichtungen, insbesondere des Gewaltverzichts" durch den Antragsteller. Das Recherchebündnis "GermanArms" untersuchte in diesem Frühjahr den Einsatz von Waffen aus Deutschland im Jemen-Krieg.

15 Journalist*innen werteten dafür im Internet frei zugängliche Fotos, Videos und Satellitenbilder aus und verglichen sie mit Plänen, Beschreibungen und Darstellungen von aus Deutschland gelieferten Waffen. "Wir haben eine Reihe von möglichen Waffensystemen ausgemacht, vor allem solche, die an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert wurden, und wo man den [sic!] Verdacht nachgehen konnte, ob sie im Jemen benutzt werden", sagt der Stern-Journalist Hans-Martin Tillack. Ergebnis: Deutsche Waffentechnik bombardiert das Land, Panzer des Typs Leclerc greifen mit Motoren des Münchner Konzern MTU an, ein aus Deutschland stammendes Kriegsschiff der Frankenthal-Klasse blockiert den jemenitischen Hafen von Mocha.

Eigentlich wollte die UNO über diesen Hafen Lebensmittel in den Jemen bringen. Aktuell sind im Bürgerkriegsland acht Millionen Menschen vom Hungerstod bedroht, auch durch Waffen "made in Germany". Jemen ist nicht der einzige Fall, in dem deutsche Waffen töten. Verbrieft ist, dass Heckler & Koch 5.000 Sturmgewehre vom Typ G36 samt Zubehör in den mexikanischen Drogenkrieg lieferte. In diesem Fall war das Geschäft allerdings nicht von der Bundesregierung genehmigt, weshalb die Waffenschmiede im Januar zu einem Bußgeld in Höhe von 3,7 Millionen Euro verdonnert wurde.

Seit Dezember 2006 sind dem mexikanischen Drogenkrieg mehr als 200.000 Menschen zum Opfer gefallen. Die Strippenzieher* innen von Heckler & Koch kamen aber mit Bewährungsstrafen davon. Ebenfalls illegal war der Export von 40.000 Pistolen der Firma SIG Sauer ins Krisenland Kolumbien. Anfang April verurteilte das Landgericht Kiel Führungskräfte der Waffenschmiede aus Eckernförde zu Bewährungsstrafen zwischen 10 und 18 Monaten. SIG Sauer muss mehr als elf Millionen Euro Strafe zahlen. Die exportierten Pistolen wurden illegal gehandelt und gerieten in die Hände bewaffneter Paramilitärs, Guerillas und Drogenkartelle. Aber auch Armeeangehörige haben sie für Verbrechen verwendet, bei denen zudem Minderjährige eingesetzt wurden.

Entweder werden in Deutschland gebaute Waffen also legal zum Töten exportiert, oder aber illegal verschachert. "Eine große Schande" für Deutschland nannte das Sigmar Gabriel, als er noch SPD-Vorsitzender war. Und: Die damalige Regierung aus Union und FDP mache sich zum "Helfershelfer für die Aufrüstung von Diktaturen", um dann kurz darauf als Vizekanzler der Großen Koalition selbst die Genehmigungen für Rüstungsexporte zu erteilen.

Nick Reimer

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