Für viele sind die außenwirtschaftlichen Äußerungen des US-amerikanischen Präsidenten mehr als verstörend. Er wettert in seinen Reden gegen Freihandel, greift den Exportüberschuss Deutschlands gegenüber den USA an und fordert einen „fairen Deal“ zwischen der EU und den USA.
In seinen Reden führt Trump aus, dass die USA im Welthandel benachteiligt würden und macht die billige Produktion im Ausland und Importe für den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze in den USA verantwortlich. Er beschreibt die Freihandelsabkommen als „eine Art trojanische Pferde, um die USA zu schwächen“.
In den meisten Medien wird er deshalb als Gegner des Freihandels beschrieben, der eine protektionistische Politik durchsetzen wolle. Dies stimmt jedoch mit seiner bisherigen Politik nicht überein. Vielmehr betreibt Trump eine Politik, die bestehende multilaterale Abkommen zum Teil aushebeln soll, damit sie zum Vorteil der US-amerikanischen Wirtschaft neu verhandelt werden können. Außenwirtschaftspolitisches Ziel der Regierung Trump ist, die bestehenden Abkommen teilweise zu verändern oder durch bilaterale Abkommen mit einzelnen Staaten zu ersetzen.
Diese Politik unterscheidet sich im Grundsatz nicht von der derzeitigen Außenhandelspolitik der EU, die ebenfalls auf die Durchsetzung von bilateralen Handelsabkommen setzt. Der Unterschied liegt lediglich in der medialen Begleitmusik. Während die EU sich als Verteidigerin des Freihandels darstellt, betont Trump seine „America first“-Politik. Trotz dieser völlig unterschiedlichen Begründungen ihrer Politiken, setzen beide Wirtschaftsregionen jedoch mit massivem Druck ihre jeweiligen wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen durch. Dabei nehmen sie bewusst in Kauf, dass ihre jeweiligen Verhandlungspartner durch diese Abkommen zum Teil deutlich benachteiligt werden.
Globale Handelsströme verschieben sich
Wer die aggressive Außenhandelspolitik von EU und USA verstehen will, muss sich die Veränderung der globalen Handelsströme in den letzten Jahrzehnten anschauen: Sowohl die USA als auch die EU versuchen mit ihren Handelspolitiken ihre bisherige dominante Stellung auf dem Weltmarkt zu sichern oder zumindest ihre Hauptkonkurrenten aus Asien in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung einzuhegen.
Für den nordamerikanischen Raum – USA, Kanada und Mexiko – stellt sich dabei die ökonomische Situation nicht einfach dar. Im Jahr 2015 hat Nordamerika aus dem asiatisch-pazifischen Raum für 1.066 Milliarden Dollar Waren bezogen, während lediglich für 468 Milliarden Dollar Waren in den Raum exportiert wurden. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Warenströmen gegenüber Europa. Während die Staaten der EU nach Nordamerika Waren im Wert von 534 Milliarden Dollar lieferten, exportierte der nordamerikanische Raum lediglich Waren im Wert von 359 Milliarden Dollar in die EU.
Für die Handelsbeziehungen der USA mit Kanada stellen sich diese Zahlen noch wesentlich negativer dar. Während die USA im Jahr 2015 Waren im Wert von 281,3 Milliarden Dollar an Kanada liefern konnte, bezog sie aus Kanada Waren im Wert von 302,7 Milliarden Dollar. Gegenüber China war das Verhältnis noch wesentlich dramatischer. Nach China konnte die USA Waren im Wert von 116,7 Milliarden Dollar exportieren, während sie aus China Waren im Wert von 484,1 Milliarden Dollar bezog. Gegenüber der EU war das Verhältnis 273,9 Milliarden Dollar US-amerikanischer Export und 430,9 Milliarden Dollar US-amerikanischer Import. Damit lag die Differenz zwischen Ein- und Ausfuhren bei fast 160 Milliarden Dollar.
Hierbei waren es vor allem die Exportüberschüsse Deutschlands gegenüber den USA, die einen Großteil des Importdefizits der USA gegenüber der EU ausmachten. So lieferte Deutschland im Jahr 2015 Waren im Wert von 125,4 Milliarden Dollar in die USA, bezog aber lediglich Waren im Wert von 50,1 Milliarden Dollar. Dies ist einer der Gründe, warum der US-amerikanische Präsident die Außenhandelspolitik Deutschlands regelmäßig kritisiert. Dem US-amerikanischen Präsident geht es in der aktuellen Auseinandersetzung vor allem darum, „für das eigene Land den maximalen Vorteil herauszuholen“. Dabei geht es aus Sicht der USA um das „Niederreißen von unfairen Handelsbarrieren auf anderen Märkten“. Als „unfaire Handelspraktiken“ versteht die US-Administration dabei alle internationalen Handelsregeln, die gegen die US-amerikanischen Wirtschaftsinteressen verstoßen.
Ökonomische Vorherrschaft der USA nimmt deutlich ab
Die Expert*innen des International Transport Forum (IFT) gehen davon aus, dass bis spätestens 2050 der Anteil Asiens an den Weltexporten vor dem Anteil der Eurozone liegen wird. So hatte die Eurozone im Jahr 2010 noch einen Anteil von 17 Prozent an den Weltexporten, 2030 wird mit einem Anteil von 20 Prozent gerechnet, der bis zum Jahr 2050 auf 16 Prozent zurückgehen könnte. Der Anteil Asiens an den Weltexporten wird nach den Berechnungen der ITF-Analyst*innen im gleichen Zeitraum von 17 Prozent (2010) auf mögliche 26 Prozent (2030) bis auf 28 Prozent in Jahr 2050 steigen.
Auch deshalb hatte die „High Level Working Group on Jobs and Growth“ (HLWG) im Jahr 2011 als Begründung für die Durchsetzung von umfassenden Freihandelsabkommen gefordert, die „erodierende Wettbewerbsfähigkeit der Industriestaaten gegenüber Schwellenländern wie China oder Indien wiederherzustellen“. Dies könne nur durch die Beseitigung von Handelsschranken und Zöllen erreicht werden. Die HLWG wurde „maßgeblich von Mitgliedern des Transatlantic Economic Council besetzt, einem Gremium, das 2007 der damalige US-Präsident George W. Bush, Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Angela Merkel (CDU) gegründet hatten“. Die HLWG hatte auf die Ausgestaltung des Mandats der EU-Kommission für ein Freihandelsabkommen mit den USA einen hohen Einfluss. Dieser Einfluss wurde auch deshalb kritisiert, weil „dort vor allem Unternehmenslobbys wie der europäische Verband der Arbeitgeber Businesseurope, der Transatlantic Business Dialogue – ein Zusammenschluss der 70 größten Konzerne in der EU und den USA – oder die US-Handelskammer vertreten waren“.
NaturFreunde sagen Nein zur neoliberalen Freihandelspolitik
Die NaturFreunde setzen sich für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung ein. Eine aggressive Außenhandelspolitik, die einseitig um Weltmarktanteile kämpft, lehnen die NaturFreunde ab. Die heutige Freihandelspolitik ist für die mächtigen Industriestaaten vor allem eine Möglichkeit, ihren Einfluss in der Weltwirtschaft zu festigen oder wieder auszubauen. Die Folge dieser aggressiven Handelspolitik ist eine Zunahme von Konflikten.
Auf den letzten Bundeskongressen der NaturFreunde Deutschlands hat das Thema Freihandelspolitik eine herausragende Rolle gespielt. Zentrale Forderung der NaturFreunde ist eine Beendigung der Ausrichtung der Wirtschaftspolitik auf Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch. Sowohl in der Diskussion über den Klimawandel und in der Analyse zu Fluchtursachen aber auch den friedenspolitischen Diskussionen spielten die Auswirkungen von neoliberalen Freihandelsabkommen eine wichtige Rolle.
Die NaturFreunde haben sich dabei klar positioniert: „Die NaturFreunde lehnen diese Freihandelsabkommen als einen politischen und ökonomischen Irrweg ab. Diese Form der ökonomischen Globalisierung stärkt einseitig die Profite der transnationalen Konzerne und schwächt die Demokratie. Durch diese marktradikale ökonomische Unterwerfung der Welt werden die sozialen Probleme zugespitzt, Umweltkatastrophen befördert, Gewalt und Verteilungskämpfe angetrieben. Sie vertiefen die Spaltung der Welt in Nord und Süd.“
Eine gerechte Weltwirtschaftsordnung wird sich für eine andere Verteilung der Ressourcen einsetzen und eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den Staaten des globalen Südens fördern. Freihandelsabkommen verhindern eine solche Entwicklung. Deshalb engagieren sich die NaturFreunde in den bundesweiten Bündnissen gegen diese falsche Wirtschaftspolitik und fordern eine Neuausrichtung der Außenhandelspolitik der EU und Deutschlands ein.
Uwe Hiksch
Mitglied des Bundesvorstands der NaturFreunde Deutschlands