Die NaturFreunde Suhl in Thüringen haben eine besondere Vereinsgeschichte: Sie waren die erste Ortsgruppe, die nach der Vereinigung wiedergegründet wurde. In den letzten 27 Jahren gab es im Verein Höhen und Tiefen, insbesondere aber vor etwa drei Jahren standen die Mitglieder am Scheideweg: kontroverse Diskussionen über die weitere Arbeit des Vereins, dazu ein relativ hoher Altersdurchschnitt und fast um 50 Prozent zurückgegangene Mitgliederzahlen warfen die Frage nach der Zukunftsfähigkeit der Ortsgruppe auf. Neuanfang wagen oder auflösen? Der Vorstand wandte sich daher an den Landesvorstand der NaturFreunde Thüringen mit der Frage, ob die damals frisch ausgebildeten Stärkenberater*innen sie beratend unterstützen könnten.
Die NaturFreunde Stärkenberatung ist ein bundesweites Projekt, in dem ehrenamtliche Aktive zu Stärkenberater*innen ausgebildet werden, um anschließend NaturFreunde-Ortsgruppen unterstützend zur Seite zu stehen.
Stärkenberater*innen erlernen das Handwerkszeug, um die Stärkung von NaturFreunde-Strukturen im Kontext der NaturFreunde-Idee zu fördern, indem sie beispielsweise demokratieausbauende und Änderungsprozesse anstoßen, gegen Diskriminierungen und für die Teilhabe aller wirken sowie Konfliktsituationen „entschärfen“.
Das Credo dabei: „Jede Ortsgruppe der NaturFreunde hat ihre Stärken. Wir wollen dabei unterstützen, diese zu finden und zu stärken!“.
Die NaturFreunde Stärkenberatung gibt es inzwischen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen.
Mehr Infos: www.naturfreunde.de/staerkenberatung
Ein Fall für Diana und Walter
Schnell fand die Thüringer Stärkenberatung ein Beratungsteam für die NaturFreunde Suhl: Walter, ein älterer und erfahrener NaturFreund, der selbst einer Thüringer Ortsgruppe vorsteht, und Diana, eine junge, aktive NaturFreundin, die sich insbesondere auf Landesebene engagierte. Rückblickend betrachtet, so ist sich Diana sicher, war die Zusammensetzung dieses Teams genau richtig: „Für uns war wichtig, dass wir als Team auch die Breite der NaturFreunde abbilden. Die Kombination aus Mann und Frau, alt und jung, viel Erfahrung und neuen Ideen hat uns den Beratungsprozess enorm erleichtert.“
Nach einem Gespräch zwischen Beratungsteam und Vorstand stand das Beratungsziel fest: „Dem Ortsgruppenvorstand war damals wichtig, die Ortsgruppe zu erhalten und die verbliebenen Mitglieder zur Mitarbeit zu motivieren“, berichtet Beate Seifert, die seit Ende der 1990er Jahre Mitglied und heute Vorsitzende der Ortsgruppe Suhl ist. „Zentral war für uns, Antworten auf die Fragen zu finden: Wer sind wir als NaturFreunde? Und was wollen wir?“
Kameradschaftlicher Umgang trotz Konflikten
Wenn Beate von der Stärkenberatung erzählt, wirkt sie begeistert. „Die Atmosphäre war sehr gut und alle sind sachlich und kameradschaftlich miteinander umgegangen – trotz der Konflikte, die es damals gab.“
Die Ortsgruppenmitglieder arbeiteten mit Unterstützung der Stärkenberater*innen heraus, warum sie meist viele Jahre zuvor den NaturFreunden beigetreten und über so viele Jahre treu geblieben sind. „Da hat sich gezeigt, dass es eine extrem hohe Bindung an die NaturFreunde gibt und vor allem der Wunsch da war, dass die Ortsgruppe ihre aktuellen Mitglieder überlebt“, erklärt Diana.
Im nächsten Schritt haben sich die Ortsgruppenmitglieder über ihre Ziele ausgetauscht. Das Ergebnis: Die Ortsgruppe erhalten, neue Engagierte gewinnen, mehr an die Öffentlichkeit gehen und neue Formate entwickeln. Daneben war ihnen wichtig, sich im Sinne der innerverbandlichen Kultur auf die NaturFreunde-Traditionen zu besinnen und diese aktiv zu leben.
Eine Ausstellung im Suhler Rathaus, Liederabende und Erlebnistage
In diesem Prozess sind einige sehr konkrete Ideen entstanden, die mittlerweile umgesetzt wurden: Die Ortsgruppe hat zum Beispiel eine Ausstellung zur Arbeit der NaturFreunde Thüringen im Suhler Rathaus organisiert. Begleitet wurde diese von einer kleinen Ausstellungseröffnung, die auch Widerhall in der regionalen Presse fand. In Zusammenarbeit mit der Landesgeschäftsstelle wurde ein Flyer erarbeitet, mit dem sich die Ortsgruppe vorstellt und der jetzt in vielen öffentlichen Einrichtungen in Suhl ausliegt.
Durch die Stärkenberatung kristallisierte sich auch heraus, wie wichtig vielen Ortsgruppenmitgliedern das Liedgut als Teil der NaturFreunde-Bewegung ist. Damit es wieder einen größeren Stellenwert bekommt, gibt es nun zweimal im Jahr einen Liederabend.
Auch ein Erlebnistag hat sich inzwischen als feste Institution etabliert: „Einmal haben wir den Ökohof in Vachdorf besucht, ein anderes Mal stand eine Fossilienwanderung auf dem Programm“, erzählt Beate. „Für viele Mitglieder war es auch wichtig, den Jüngeren die Traditionen von früher nahezubringen. Deswegen gibt es auch einmal im Jahr einen Brauchtumstag. In diesem Jahr wenden wir uns dem Filzen zu und probieren die wichtigsten Arten des Filzens weltweit aus.“
Eine neue Kultur
Vor allem aber habe sich etwas an der Kultur in der Ortsgruppe verändert, erzählt Beate auf die Frage, was sich durch die Stärkenberatung verbessert hat. „Wenn wir unseren Jahresplan machen, bringen jetzt viel mehr Leute ihre Vorschläge ein. Und wir legen im Jahresprogramm transparent fest, wer wofür verantwortlich ist. So erreichen wir zum einen, dass am Ende nichts liegen bleibt, und zum anderen, dass sich niemand überfordert fühlt“, ist sich Beate sicher.
„Auch sind wir viel politischer geworden. Wir beteiligen uns als Ortsgruppe an Demonstrationen gegen Nazis oder besuchen gemeinsam politische Institutionen wie den Landtag oder den Bundestag. Auch zur großen Demo gegen TTIP in Leipzig sind einige von uns gefahren“, sagt Beate, die selbst ein sehr politischer Mensch ist, stolz. „Die Stärkenberatung hat wesentlich dazu beigetragen, dass wir uns bewusst geworden sind, dass NaturFreund*in zu sein auch heißt, in der Gesellschaft mitzumischen; dass wir uns fragen müssen: Wo will diese Gesellschaft hin?“
Aktive Ortsgruppe mit ambitioniertem Programm
Heute ist die Ortsgruppe Suhl eine zwar kleine, aber sehr aktive Ortsgruppe im Landesverband Thüringen: Die Mitglieder haben sich ein ambitioniertes Programm vorgenommen. Und Diana, 2015 noch externe Stärkenberaterin, ist heute mit ihrer Familie als Mitglied in der Ortsgruppe Suhl aktiv.
Beate ist sich sicher, dass es mit der Ortsgruppe auch in Zukunft weitergehen wird: „Eigentlich bin ich optimistisch, was die Zukunft der Ortsgruppe angeht. Natürlich denke ich auch schon darüber nach, wie ich mal an Jüngere übergeben könnte, aber momentan läuft es ganz gut. Die Fortschritte, die wir machen, sind zwar nicht immer groß, aber immerhin: wir machen Fortschritte.“
Das Projekt NaturFreunde Stärkenberatung wird gefördert durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat im Rahmen des Bundesprogramms "Zusammenhalt durch Teilhabe".