Wenn Kommunen zum Vorreiter beim Klimaschutz werden

Jeden Monat zeichnet die „Agentur für Erneuerbare Energien“ Spitzenleistung aus

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Es gibt auch gute Nachrichten im Klimaschutz aus Deutschland. Vor allem auf kommunaler Ebene. Zum Beispiel aus Senftenberg im Süden Brandenburgs. Die Stadt mit rund 25.000 Einwohnern galt in der DDR wegen ihrer großen Braunkohlevorkommen als Bergarbeiterzentrum.

Heute trägt die Stadt den Titel „Staatlich anerkannter Erholungsort“. Doch auch im Bereich der erneuerbaren Energien ist die Kommune ein Vorreiter. Bereits im Jahr 2006 sorgte die bis dato größte Biogasanlage der Republik für deutschlandweite Aufmerksamkeit. Nun haben die Senftenberger Deutschlands größte Solarthermieanlage in Betrieb genommen.

1.680 Röhrenkollektoren wurde von den Stadtwerken auf einer Fläche von 2,2 Hektar errichtet. Mit prognostizierten vier Millionen Kilowattstunden Wärme pro Jahr sollen etwa 10.000 Haushalte mit Wärme versorgt werden – während der Sommermonate sogar komplett. Die Anlage ist Teil des Klimaschutzkonzepts der Stadt, im Stromsektor deckt Senftenberg bereits seit 2011 bilanziell den Bedarf mit bis zu 90 Prozent aus regenerativen Kraftwerken. Bürgermeister Andreas Fredrich (SPD) erklärt: „Mit dem im Jahr 2013 beschlossenen Leitbild ‚Energetische Zukunft Senftenberg 2030‘ haben wir sehr zeitig die Weichen gestellt, um Klimaschutzüberlegungen in die Stadtentwicklung zu integrieren.“

Gut aufgestellt sind auch die Stadtwerke München: Im Jahr 2008 starteten die Münchner ihre „Ausbauoffensive erneuerbare Energien“, Investitionen in Höhe von neun Milliarden Euro wurden seitdem in Regenerativkraftwerke verbaut. Seit Mai 2015 erzeugen die Anlagen rechnerisch so viel Ökostrom, wie alle Münchner Privathaushalte und die Straßenund U-Bahnen der Münchner Verkehrsgesellschaft verbrauchen.

Die bayerische Gemeinde Wunsiedel hat bereits 2016 die selbst gesteckten Klima- und Energieziele für das Jahr 2020 erreicht. In Wunsiedel mit rund 9.300 Einwohnern werden 20 Prozent mehr Strom aus regenerativen Quellen produziert als verbraucht. Auch die Hälfte des städtischen Wärmebedarfs decken erneuerbare Energien. Der Treibhausgasausstoß hat sich im Vergleich zum Jahr 2008 um die Hälfte reduziert.

Ausgezeichnete Mutmacher
Monatlich kürt die „Agentur für Erneuerbare Energien“ derlei Mutmacher: Ausgezeichnet wurde zum Beispiel Willich am Niederrhein mit seinen 50.000 Einwohnern. Willich gilt als Pionier im Bereich der Erdwärmenutzung. Ausgezeichnet wurde das Bioenergiedorf Schlöben, das in Ostthüringen eine Bürgerenergiegenossenschaft gründete, um den örtlich anfallenden Kuhmist in Strom und Wärme zu verwandeln. Ausgezeichnet wurde auch Kempten im Allgäu: Bereits 1999 stellte die Stadt einen eigenen Energiemanager ein, der sich um die energetische Optimierung und Sanierung der kommunalen Liegenschaften kümmert. Die Leistung des alten Wasserkraftwerks an der Iller wurde fast verdoppelt, Stadt und Bürgerenergiegenossenschaft betreiben gemeinsam Solarkraft.

In Aachen wurde ein sogenanntes „SmartGrid“ aufgebaut – ein intelligentes Stromnetz. Dabei sollen Verbraucher flexibler auf die schwankenden Angebote aus Sonne und Wind reagieren können. „Wenn viel Wind- oder Sonnenstrom ins Netz eingespeist werden, sinkt der Strompreis“, erklärt Corinna Bürgerhausen, Sprecherin der Stadtwerke. Und viel Wind- oder Sonnenstrom gibt es in Aachen häufiger als anderswo: Mit dem „Aachener Modell“ hatte die westdeutsche Großstadt 1997 Grünstromtarife eingeführt - lange bevor das Erneuerbare-Energien- Gesetz von der Politik beschlossen wurde.

Aber die „Agentur für Erneuerbare Energien" ist nicht die einzige Institution, die Vorbilder für den Klimaschutz ehrt. Eurosolar zeichnet beispielsweise seit 1994 Architekten, Kommunen oder Einzelpersonen für Visionäres rund um die Sonnenkraft aus. Preisträger in diesem Jahr ist beispielsweise das Stadtwerk Burg in Sachsen-Anhalt, das ein innovatives Mietstrommodell entwickelte: Mieter können dort ihren eigenen Solarstrom nutzen. In Hamburg gibt es den "German Renewable Award" der jährlich Branchenlösungen prämiert, in Berlin den "Green Tec Award" für Spitzenleistungen im Bereich nachhaltiger Umwelttechnologien. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Und es gibt natürlich Macher, die als Pioniere bei Preisjuroren noch nicht auf auf den Zetteln stehen: In Bottrop legte die Stadtverwaltung 2014 ein Förderprogramm zur energetischen Gebäudesanierung auf. Seitdem gelingt dort, was bundesweit einfach nicht voran kommt. Bürgermeister Bernd Tischler sagt: „Weil von den Aufträgen zu 90 Prozent lokale Betriebe profitieren, ist das eine Art Konjunkturpaket.“

Nick Reimer
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in NATURFREUNDiN 4-2016.