Normen und Standards begegnen uns oft im Alltag. Dabei handelt es sich meistens um „Soll-Sätze“, die sich darauf beziehen, wie etwas sein sollte. Die Backanleitung "Man nehme: 200g Mehl, 1/4 Liter Milch und 1 Prise Salz" ist beispielsweise als Norm. Sie schreibt uns das Vorgehen bei der Herstellung eines bestimmten Kuchens vor. Geläufiger im Zusammenhang mit der Begriffsverwendung „Normung“ sind allerdings die technischen Normen. Die Vorgabe "Das Blech der Dose muss mindestens 1 mm dick sein" ist beispielweise ein solcher Fall: Aus ihr ergeben sich indirekt Handlungsnormen für den Hersteller der Dose. Die leicht übertragbare – also vereinheitlichte - Vorgehensweise ist ein wichtiges Ziel einer Norm.
Was hat jedoch die Normung mit dem Natur- und Umweltschutz zu tun? Die Antwort auf diese Frage erschließt sich, wenn man bedenkt, dass Normen eine zentrale Rolle bei der Vereinheitlichung von Produkten, Produktions- und Messverfahren spielen. Die Wirtschaft hat ein erhebliches Interesse daran, die Herstellung und den Vertrieb von Produkten zu erleichtern, um Handelshemmnisse abzubauen und den Markt zu "harmonisieren". Doch in den letzten Jahren ist die stärkere Berücksichtigung von Belangen des Umwelt- und Naturschutzes zunehmend zum Thema bei der Erarbeitung und Weiterentwicklung von Normen und Standards geworden. Beipiele sind die Schaffung von einheitlichen Verfahren zur Messung der Belastung von Gewässern oder der Strahlung von Mobilfunkanlagen. Aber auch die Festlegung von Anforderungen an Wärmeschutz und Luftdichtheit beim Häuserbau oder die Verankerung des Umweltschutzgedankens bei der Ausgestaltung von Produktnormen für Holzschutzmittel fallen in den Bereich der Normung.
Mehr als technische Vorschriften
Doch der Umwelt- und Naturschutz in der Normung betrifft weit mehr als nur die technischen Normen: Nach welchen Regeln und Verfahren Organisationen und Unternehmen ihre umweltrelevanten Managemententscheidungen treffen und welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit ein Unternehmen mit dem Zertifikat für Umweltmanagement werben kann, ist im höchsten Maße normungsrelevant. Seitdem zum Ende der 70er Jahre zunächst Qualitäts- und kurz darauf dann auch Umweltmanagementsysteme eingeführt wurden, gibt es weltweit gültige und vereinheitlichte Verfahren festgelegt als Managementnormen. Sie dienen den Unternehmensführungen dazu, ihre betrieblichen Produktionsprozesse und ihre Organisationsstrukturen nachweislich qualitäts- und umweltbewusster zu auszurichten.
Die Normen werden in den entsprechenden Normungsausschüssen sowohl auf der nationalen Ebene (Deutsches Institut für Normung – DIN) als auch auf der internationale Ebene (International Organization for Standardization – ISO) erarbeitet und weiter entwickelt. In den letzten Jahren haben vor allem die Fragen zu den Folgen des Klimawandels und zum Erhalt der Biodiversität Eingang in die Normung gefunden. So wurde beispielsweise die bekannte internationale Normenserie zum Umweltmanagement, die ISO-1400er Reihe, um neue Normen zum Management von Treibhausgasen erweitert. Stichworte sind in diesem Zusammenhang die Standards zu Erstellung von Treibhausgasinventaren oder die Erstellung eines klimabezogenen Fußabdrucks bezogen auf Produkte oder Unternehmen (ISO 14067 Carbon Footprint of Products; ISO 14069 Carbon Footprint of Organizations).
Trotz ihrer immensen politischen und wirtschaftlichen Bedeutung ist die eigentliche Normenerarbeitung nicht staatlich beziehungsweise hoheitlich organisiert. Die jeweiligen Normungsinstitutionen sind privatrechtlicher Natur und werden von den sogenannten „Interessierten Kreisen“ getragen und finanziert. Obwohl die Umweltverbände seit über 20 Jahren fester Bestandteil der „Interessierten Kreise“ sind und sich bisher aktiv und fachlich versiert in Normungsarbeit eingebracht haben, sehen sie sich traditionell mit einem Manko konfrontiert: Aufgrund chronischer Engpässe in Bezug auf die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen sind sie beispielsweise den gut ausgestatteten Wirtschaftsverbänden allzu häufig unterlegen. Eine Tatsache, die so in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist.
Die privatrechtliche Organisation der Normungsarbeit und die schlechtere Ressourcenausstattung der Umweltverbände haben erhebliche Konsequenzen bei der Berücksichtigung von Umwelt- und Naturschutzbelangen im Sinne ihrer Gemeinwohlfunktion. So können die von den „Interessierten Kreisen“ erarbeiteten und von ihnen getragenen Festlegungen durchaus einen „hoheitlichen“ und damit verbindlichen Charakter annehmen: Dann nämlich, wenn der Gesetzgeber mittels eines sogenannten „Normenverweises“ auf die gesetzliche Gültigkeit der konkretisierenden Norm hinweist. In diesem Zusammenhang wird auch von der „untergesetzlichen Regelung“ gesprochen. Eine solche zunächst nur unter privatrechtlichen Gesichtspunkten organisierte und in der Tendenz weniger am Gemeinwohlinteresse ausgerichtete Vorgehensweise ist aus Sicht eines Umweltverbandes zumindest als bedenklich einzustufen.
Nun geht der Gesetzgeber in stärkerem Maße dazu über, lediglich auf umweltrelevante Regelungen zu verweisen. In der Konsequenz werden die konkretisierenden und konflikträchtigen Arbeiten den Normungsgremien überlassen. Dies ist unter den personellen und finanziellen Engpässen, denen sich die überwiegend ehrenamtlich arbeitenden Umweltverbände ausgesetzt sehen, äußerst problematisch. Nichtsdestotrotz: Die Arbeit auf dem Gebiet von „Umweltschutz und Normung“ sind – und dies zeigen auch die bisherigen Erfolge bei der Integration des Umwelt- und Naturschutzgedankens“ in die Welt der Normung – eine wichtige und lohnenswerte Aufgabe auch und gerade für die Umweltverbände.