Natur des Jahres | Vom Brotbaum zum Notbaum

Warum die Fichte zum Klimaflüchtling und die Flunder zum Botschafter wird

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Zum „Baum des Jahres“ 2017 wurde die Fichte gekürt. Ausgerechnet die Fichte, der „Brotbaum“ der hiesigen Forstwirtschaft, für viele das Symbol schwer erträglicher Monokulturen.

 Tatsächlich steht die Fichte für die gelungene Aufforstung in Deutschland. Viele Wälder waren Anfang des 18. Jahrhunderts nach Rodungen, Überwirtschaftung, Kriegen, Reparationshieben und Holzexporten völlig ruiniert oder zu Ödland verkommen. Für die Wiederbewaldung  eignen sich nur wenige Waldbaumarten, unter anderen die Fichte. Die hat kaum besondere Nährstoffansprüche, sie braucht nur eine einigermaßen gesicherte Wasserversorgung.

Und damit kommen wir zum Punkt: die Fichte hat unter den Waldbäumen wohl das schlechteste Anpassungspotenzial an den Klimawandel. Zusetzen werden ihr höhere Temperaturen und längere Trockenperioden, die die Wasserversorgung der Fichte gefährden. Selbst wenn die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzt werden könnte, dürften im Jahr 2050 in Baden-Württemberg nur noch fünf Prozent der Bestände auf einigermaßen geeigneten Standorten stehen. Die Fichte wird zum Klimaflüchtling und damit vom Brotbaum zum Notbaum der deutschen Forstwirtschaft. Als „Baum des Jahres“ 2017 rückt sie dieses Problem in das öffentliche Bewusstsein.

Sensibilisierung der Öffentlichkeit

Außer der Fichte gibt es noch viele andere Pflanzen und Tiere, die in diesem Jahr unsere Aufmerksamkeit genießen sollen: der Waldkauz zum Beispiel, die Blindschleiche, die Flunder, der Klatschmohn oder die Spaltenkreuzspinne. Genauso wie das Gänseblümchen, der Wanderfalter Goldene Acht, das weiche Kamm-Moos oder der Sonnenwirtsapfel. Die Blindschleiche zum Beispiel, das „Reptil des Jahres 2017“, ist als beinlose Echse zwar noch fast flächendeckend  verbreitet. Allerdings scheinen die Bestände zurückzugehen. Ihr Lebensraum wird immer mehr durch Siedlungs- und Straßenbau bedroht. Mit der Wahl des Waldkauzes zum „Vogel des Jahres 2017“ soll die Öffentlichkeit für die Bedürfnisse Baumhöhlen bewohnender Tiere sensibilisiert werden. Der Bestand des Waldkauzes ist stabil. Eintönige Wälder und ausgeräumte Agrarlandschaften gefährden allerdings auch ihn.

Zum „Fisch des Jahres“ wurde die Flunder gewählt. Der deutsche Angelfischerverband will gemeinsam mit den Sporttauchern darauf aufmerksam machen, dass Meere und Flüsse untrennbare Lebensräume darstellen und vielen Fischarten durch Wehre und Staustufen die Wandermöglichkeiten genommen werden. Mit der Flunder soll auch auf die Verschmutzung der Lebensräume und die Gefahr von Überfischung durch die Berufsfischerei hingewiesen werden.

 Die Wahl der „Goldenen Acht“ zum Schmetterling des Jahres will auf den Rückgang des Falters aufmerksam machen, dessen Raupen sich von Luzerne und Klee ernähren. Der Lebensraum des Schmetterlings schwindet mit der laufenden Intensivierung der Landwirtschaft.

Die Trave ist „Flusslandschaft des Jahres“

Viele Organisationen kümmern sich um die „Natur des Jahres“: da ist etwa die Loki-Schmidt-Stiftung in Hamburg, die jedes Jahr eine Blume auswählt – 2017 ist es der Klatschmohn. Es gibt Institute für Botanik, Naturschutzinitiativen oder auch den Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzen“, der 2017 den Saat-Hafer kürte. Das „Tier des Jahres“ wird von der Deutschen Wildtier Stiftung ausgewählt: 2017 ist es der Wolf. Und nicht zuletzt sind es die Umweltverbände, die besondere Arten des Jahres nominieren.

 All diesen Organisationen ist es zu verdanken, dass wir in jedem Jahr erneut auf wichtige, aber auch vom Aussterben bedrohte Tiere und Pflanzen und Naturprobleme aufmerksam gemacht werden. Und nicht zuletzt sei auf die Trave, die „Flusslandschaft des Jahres“ verwiesen, die von den NaturFreunden gemeinsam mit dem Angelfischerverband gekürt wird.

Eckart Kuhlwein
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in NATURFREUNDiN 1-2017