Nationalparke und andere Großschutzgebiete: eine Chance für Naturschutz und sanften Tourismus

Positionspapier der NaturFreunde Deutschlands, beschlossen auf der Tagung des Fachbereichs Naturschutz, Umwelt und sanfter Tourismus am 1. Mai 2016 in Baiersbronn

1970 wurde in Deutschland der erste Nationalpark, Bayerischer Wald, errichtet. Heute – 2016 – gibt es in Deutschland 16 Nationalparke mit einer Gesamtfläche von 1.047.859 ha, davon aber nur 214.588 ha auf Landflächen, die anderen liegen in der Nord- und Ostsee. Die ersten Biosphärenreservate, Vessertal-Thüringer Wald und Flusslandschaft Elbe, wurden 1979 ausgewiesen, aber erst nach 1990 kamen weitere hinzu. Heute existieren 17 Biosphärenreservate mit einer Gesamtausdehnung von 1.977.682 ha, davon 666.046 ha auf Meeresflächen. 15 sind durch die UNESCO anerkannt. Knapp 30 % der Landesfläche werden von den 103 Naturparken eingenommen.

Die Schutzkategorien sind im Bundesnaturschutzgesetz geregelt:

  • Nationalparke (§24 BNatSchG, IUCN-Kategorie II) haben eine strenge Schutzwirkung, sollen weitgehend unzerschnitten und überwiegend nicht oder wenig vom Menschen beeinflusst sein oder in diese Richtung entwickelt werden.
  • Biosphärenreservate (§25 BNatSchG) dienen sowohl dem Schutz von Natur- als auch von Kulturlandschaften. Neben dem Schutz der Arten- und Biotopvielfalt sollen auch umweltgerechte Wirtschaftsweisen entwickelt und erprobt werden.
  • Naturparke (§ 27 BNatSchG, IUCN-Kategorie V) dienen als großräumige Landschaften der Erholung und dem nachhaltigen Tourismus. Die durch vielfältige Nutzung geprägte Landschaft mit ihrer Arten- und Biotopvielfalt soll erhalten und entwickelt werden.

Auf europäischer Ebene wurde das Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 aufgebaut, das sich aus der Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie zusammensetzt. Ziel ist die Schaffung eines zusammenhängenden ökologischen Netzes von Lebensräumen zur Förderung und Erhaltung der biologischen Vielfalt über Ländergrenzen hinweg. In den ausgewiesenen Gebieten gilt das Verschlechterungsverbot.

In der Gegenwart ist es sehr schwierig, neue Großschutzgebiete zu errichten. Zum Teil stehen vordergründige wirtschaftliche Interessen entgegen, zum Teil liegt es an der Furcht der ansässigen Bevölkerung vor Einschränkungen, wobei häufig völlig unzutreffende Vorstellungen bestehen.

Unsere Position als NaturFreunde:

Großschutzgebiete, dabei vor allem Nationalparke und Biosphärenreservate, erfüllen wichtige ökologische und gesellschaftliche Aufgaben. Unser Anliegen ist es, dass diese Funktionen gestärkt und gesichert werden. Das mag durch die Ausweisung weiterer Nationalparke (z.B. Steigerwald, Ammergebirge) oder Biosphärenreservate (Naturpark Drömling) erfolgen sowie durch die UNESCO-Anerkennung des Biosphärenreservats Karstlandschaft Südharz, gleichzeitig aber auch durch die Weiterentwicklung bestehender Großschutzgebiete, beispielsweise durch Erweiterung der Kernzonen.

Ökologische Funktionen von Großschutzgebieten:

  1. Wichtiger Beitrag der Großschutzgebiete zur biologischen Vielfalt
    Von Anfang an haben Großschutzgebiete entscheidend dazu beigetragen, dass der Rückgang bei wichtigen Schlüsselarten wie z.B. Fischotter, Wildkatze, Schwarzstorch, Seeadler und Kranich gestoppt werden konnte bzw. die Populationen und Verbreitungsgebiete sich sogar ausdehnen konnten Entscheidend waren neben den Schutzbemühungen verschiedene Maßnahmen zur Wiederherstellung und Verbesserung von Lebensräumen, die meist nur mit Hilfe intensiver finanzieller Unterstützung umgesetzt werden konnten (BfN 2010).
  2. Wertvolle Ökosystemdienstleistungen der Großschutzgebiete
    Güter und Leistungen der Großschutzgebiete, die der Gesellschaft in der Regel kostenfrei zur Verfügung stehen, sog. Ökosystemleistungen sind:
    > Filter-, Puffer- und Speicherwirkungen der Vegetation und des Bodens (u.a. saubere Luft, Humusbildung, Bindung von Nähr- und Schadstoffen, Verbesserung der Trinkwasserqualität);
    > Regulation des Wasserhaushaltes; 
    > Schutz vor natürlichen Gefahren (u.a. Steilhangwälder als Bannwälder, Abflachung von Hochwasserwellen durch natürliche Auen);
    > Regeneration von Fischbeständen;
    > natürliche Schädlingsbekämpfung durch Nützlinge in naturnahen Biotopen;
    > Lebensraum von Bestäuberpopulationen;
    > Minderung von klimarelevanten Gasen;
    > Erholungsfunktion.
  3. Beitrag zur Wildnisentwicklung
    Wildnisgebiete, in denen ungelenkte dynamische Prozesse stattfinden, sind in unserer von den Bedürfnissen des Menschen geprägten Kulturlandschaft weitgehend verschwunden.
    Ziel der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (BMU 2007) ist, dass sich bis zum Jahre 2020 die Natur auf 2 % der Bundesfläche wieder nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten ungestört und möglichst großräumig entwickeln und Wildnis entstehen kann. Aktuell liegt dieser Wildnisanteil – wie z. B. die Kernzonen der Großschutzgebiete, bzw. langfristig abgesicherte, ausreichend große nicht genutzte Flächen in anderen Schutzgebieten – bei ca. 0,6 % der Landfläche Deutschlands.
    Bei den Wäldern sieht die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2020 einen Anteil von 5 % der Waldfläche vor. Derzeit sind wir mit nur rund 2 % noch weit davon entfernt.

Gesellschaftliche Funktionen von Großschutzgebieten

  1. Beitrag zur Umweltbildung
    Für Nationalparke und Biosphärenreservate besteht die gesetzliche Aufgabe, einen Beitrag zur Umweltbildung zu leisten, sei es unter dem Titel als „naturkundliche Bildung“, „wissenschaftliche Umweltbeobachtung“ oder explizit als „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Mit den Nationalparkzentren, bzw. entsprechenden Informations- und Bildungszentren in den Biosphärenreservaten stehen die entsprechenden Einrichtungen zur Verfügung.
  2. Beitrag zum sanften Tourismus
    Bereits 2010 stellte das BfN fest: „Großschutzgebiete stellen attraktive touristische Destinationen dar und ermöglichen dem Besucher und der lokalen Bevölkerung vorbildhaft Naturerlebnisse. Sie bieten gute Voraussetzungen, Motoren einer umweltverträglichen touristischen Entwicklung zu sein.“
    Mit der Studie „Regionalwirtschaftliche Effekte durch Naturtourismus“ (BfN 2016) liegen jetzt auch Daten zur wirtschaftlichen Bedeutung des Naturtourismus in Nationalparken vor. Das Prädikat „Nationalpark“ verschafft als Alleinstellungsmerkmal einen strategischen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Destinationen, denn die zunehmende Bedeutung der Umweltqualität für die Reiseentscheidung sowie die wachsende Sensibilisierung für das Thema Umwelt hält bis heute an. Der Naturtourismus gilt weiterhin als Wachstumsmarkt.
  3. Nachhaltiges Wirtschaften
    In den Großschutzgebieten wird viel Wert auf umweltverträglich erzeugte regionale und saisonale Produkte gelegt. Dies stärkt die lokale Ökonomie. In Biosphärenreservaten und Naturparken werden besonders naturverträgliche Nutzungs- und Bewirtschaftungsformen erhalten und weiterentwickelt. Ökologischer Landbau, verschiedene Formen naturgerechter Forst- und Fischereiwirtschaft sowie Streuobstwiesen, Hüteschafhaltung, Mittelwaldnutzung als traditionelle Nutzungsformen sind Beispiele dafür.

Forderungen der NaturFreunde Deutschlands

  • Weiterentwicklung der Großschutzgebiete > Anforderungen des IUCN erfüllen und die Kernzonen entsprechend entwickeln;
  • Ausweisung weiterer Großschutzgebiete, z. B. Steigerwald, Ammergebirge als Nationalparke; Naturpark Drömling als Biosphärenreservat, Anerkennung als UNESCO Biosphärenreservate (Schwarzwald, Karstlandschaft Südharz);
  • Kein Ersatz von Großschutzgebieten durch ein „Trittsteinkonzept“;
  • Sicherung/Erweiterung der finanziellen Ausstattung, um dem Bildungsauftrag und den ökologischen Zielsetzungen gerecht zu werden;
  • Gesetzliche Einschränkung der wirtschaftlichen Nutzung (z. B. keine Ölförderung im Wattenmeer, Verbot umweltschädigender Fischfangpraktiken);
  • Kontrolle der Einhaltung von Bestimmungen (Meer: Satellitenüberwachung, Land: Ranger);
  • Konsequente Verfolgung von Verstößen;
  • Vernetzung der Großschutzgebiete entsprechend Natura 2000;
  • Bemühungen zur Anerkennung von Großschutzgebieten als Weltnaturerbe.

Der Beitrag der NaturFreunde Deutschlands

  • Konzeption weiterer Natura Trails, vor allem in Natura-2000-Gebieten, als unser Beitrag zu Umweltbildung;
  • Umweltangebote in den Naturfreundehäusern (NFH) > ca. 150 NFH liegen in oder in unmittelbarer Nähe zu Großschutzgebieten;
  • Info und Werbung in NaturFreunde-Zeitschriften für den Besuch von Großschutzgebieten zu deren wirtschaftlicher Unterstützung;
  • Angebote von eigenen NaturFreunde Reisen in Großschutzgebiete;
  • Förderung der Bereitschaft zur Akzeptanz von neuen Großschutzgebieten in der Bevölkerung durch sachkundige Information und Werbung;
  • Beteiligung an gemeinschaftlichen Aktionen von Umweltverbänden beim Einsatz für neue Großschutzgebiete;
  • Unterstützung regionaler Aktivitäten bei der Forderung nach Ausbau von bestehenden und Ausweisung von neuen Schutzgebieten.

Quellen:

BfN 2010 „Großschutzgebiete in Deutschland“, Positionspapier
BfN 2016 „Regionalwirtschaftliche Effekte durch Naturtourismus“, BfN-Skripten 431
BfN 2016
BfN 2016
BMUB

Regina Schmidt-Kühner
stellvertretende Bundesvorsitzende

Christine Eben
Bundesfachbereich Naturschutz, Umwelt und sanfter Tourismus