Warum Normen bei der Anpassung an den Klimawandel entscheidend sind
Wenn die Erderwärmung zu immer mehr Starkregen führt: Müsste dann nicht auch die Dachentwässerung angepasst werden? Tatsächlich bilden Extremwetter – neben hohen Niederschlagsmengen auch Hitzewellen und starke Stürme – eine große Belastung für Bauwerke und die dazugehörigen Infrastrukturen, zum Beispiel die Kanalisation.
Allerdings kann man nun nicht einfach größere Fallrohre an der Regenrinne anbringen. Deren Durchmesser, auch der nachfolgenden Entwässerung, ist genau geregelt, etwa in der Norm DIN 1986-100. Das klingt vielleicht nach deutscher Bürokratie, aber Planer müssen sich daran orientieren.
Andere Normen regeln das Verkehrswesen, das ebenfalls den Klimawandel spürt. Mehr heiße Tage strapazieren Straßenbeläge, Schienen oder auch die Klimaanlagen von Fahrzeugen. Die Klimatisierung von Zügen zum Beispiel wird in der Norm DIN EN 13129 geregelt. Muss diese bald aufgrund des Klimawandels angepasst werden?
Und noch ein Beispiel für die Relevanz der Normungsarbeit bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels: Eine Zunahme der Sturmintensität könnte eine Anpassung der Windlastnorm erforderlich machen. So sind beispielsweise Überlandleitungen hohen Belastungen durch Windwirkungen ausgesetzt. Die Dimensionierung von Freileitungen erfolgt nach der DIN EN 50341, in der auch die Windlastnorm eine wichtige Rolle spielt.
Das Instrument der Normung ist für den gesellschaftlichen Prozess der Anpassung an den Klimawandel also von hoher Bedeutung. Denn Normen können „hoheitlichen“ Charakter annehmen, wenn der Gesetzgeber auf die gesetzliche Gültigkeit einer konkretisierenden Norm verweist. Und das tut er immer häufiger.
Das Problem daran ist: Die Erarbeitung von Normen ist nicht staatlich organisiert, sondern wird von sogenannten „Interessierten Kreisen“ getragen und finanziert. Zwar sind Umweltverbände Bestandteil dieser „Interessierten Kreise“ und fachlich sehr versiert, allerdings sind sie personell und finanziell natürlich bei Weitem nicht so gut ausgestattet wie etwa Wirtschaftsverbände. Und private Akteure orientieren sich nun mal eher am Profit als am Gemeinwohl.
Damit bei der Anpassung relevanter Normen an die Folgen des Klimawandels auch ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt werden, beteiligen sich die NaturFreunde Deutschlands über den Bundesfachbeirat Umweltschutz und Normung aktiv an der (Weiter-) Entwicklung umweltrelevanter Normungsvorhaben. Schwerpunkte der in nationalen und internationalen Normungsgremien vertretenen NaturFreunde-Experten liegen in den Bereichen Treibhausgasemissionen, Umweltmanagementsysteme, nachhaltige Entwicklung in Kommunen, Holzschutz, nachhaltiges Bauen und Bionik.
Für November planen die NaturFreunde gemeinsam mit dem Koordinierungsbüro Normungsarbeit der Umweltverbände (KNU) daher den Workshop „Anpassung an den Klimawandel – Normungsaktivitäten aus Sicht der Umweltverbände“. Dieser Workshop wird über aktuelle Schwerpunkte in der Normungsarbeit, geplante Entwicklungen und entsprechende Schlussfolgerungen für Umweltverbände informieren.
Dr. Joachim Nibbe, NaturFreunde-Bundesfachbeirat Umweltschutz und Normung
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in NATURFREUNDiN 3-2014.