Interview : „Der Nachwelt etwas hinterlassen“

Rechtswanwalt Tilmann Schwenke über das Thema Erben und Vererben

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Tilmann, du bist Rechtsanwalt und weißt aus Erfahrung, dass sich viele Menschen nicht mit ihrem Letzten Willen auseinandersetzen wollen. Warum rätst du dennoch dazu?

Tilmann Schwenke: Man fühlt sich erleichtert, wenn man sein Erbe festgelegt hat. Denn damit ist eine wichtige Frage im Leben geklärt: Was
bleibt von mir, wenn ich gehe? Es gibt ein Gefühl von Sicherheit, bestimmt zu haben, was nach dem Tod passieren soll – auch ohne großes Vermögen. Dabei kann man auch Menschen bedenken, die eigentlich nichts erben würden. Gleichzeitig erspart man seinen Angehörigen Auseinandersetzungen und Ärger, wenn man Dinge regelt.

Tilmann Schwenke (53) ist Rechtsanwalt und stellvertretender Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands.

Klingt, als drehe sich ein Testament eher um Mitmenschen. Welchen Vorteil hat man selbst?
Häufig haben Menschen auch das Bedürfnis, der Nachwelt etwas zu hinterlassen. Sie möchten ihre Ideale und Werte weiter unterstützt wissen und sicher sein, dass Projekte und Aktivitäten, die ihnen am Herzen liegen, auch in Zukunft noch laufen. Andere haben den Wunsch etwas zurückzugeben, weil es ihnen gut gegangen ist, beziehungsweise sie Gutes erlebt haben. Wem dies wichtig ist, kann einen Teil seines Nachlasses einem guten Zweck widmen und dies im Letzten Willen festhalten.

Was passiert denn, wenn kein Testament verfasst wird? Wer erbt dann?
Wer in Deutschland kein Testament verfasst oder keinen Erbvertrag abgeschlossen hat, hat dennoch seinen Letzten Willen ausgedrückt. Das Gesetz in Deutschland geht nämlich davon aus, dass das Erbe an diejenigen gehen soll, die mit dem oder der Verstorbenen familienrechtlich am nächsten in Verbindung stehen. Dann gilt die gesetzliche Erbfolge. Sie gibt vor, in welcher Reihenfolge Verwandte erben und wer erbberechtigt ist. Nähere Verwandte schließen grundsätzlich die entfernteren Verwandten von der Erbfolge aus. Bei Menschen ohne Angehörige fällt das Erbe übrigens an den Staat. Wer für seinen Nachlass einen anderen Wunsch hat als gesetzlich vorgesehen, sollte ein Testament verfassen.

Man kann also die gesetzliche Erbfolge mit einem Testament umgehen?
Nicht ganz, es gibt einen gesetzlichen Pflichtteil. Damit wird allen Nachkommen sowie Ehepartner*in oder eingetragenen Lebenspartner*in ein Anspruch garantiert, selbst wenn der oder die Verstorbene es anders wünschte. Das berühmte „Enterben“ gibt es übrigens nur unter ganz bestimmten, sehr engen Voraussetzungen,beispielsweise bei einem schwerwiegenden Verbrechen gegen den*die Testamentsverfasser*in. Das sind jedoch sehr seltene Fälle. Häufiger werden im Testament geliebte Menschen außerhalb der Erblinie oder auch gemeinnützige Organisationen bedacht.

Wie genau funktioniert das?
Ich kann Menschen und Einrichtungen in mein Testament aufnehmen und als Erb*innen benennen. Oder ich ergänze mein Testament um ein Vermächtnis und lege dort fest, was sie erhalten sollen.

Erbe oder Vermächtnis: Wo ist da der Unterschied?
Wer erbt, bekommt nicht nur einige Rechte und die Güter der verstorbenen Person übertragen, sondern auch die Pflichten. Das können beispielsweise ein Mietvertrag, Kontogebühren, Verpflichtungen aus einem Darlehen oder auch ein Zeitschriftenabonnement sein. Wer in einem Vermächtnis steht, hat nur Anspruch auf eine ganz konkrete Sache, die an ihn weitergegeben werden soll, beispielsweise ein Geldbetrag oder vielleicht ein emotional besetzter Besitz. Mit einem Vermächtnis kann man auch Wünsche und Leistungen als Auflagen festlegen, die erfüllt werden sollen. So kann zum Beispiel der Letzte Wille formulieren, dass man zur Beerdigung statt Blumen eine Gedenkspende an eine gemeinnützige Organisation wünscht. Das kommt häufiger vor.

Wie stellt man sicher, dass besondere Wünsche und Auflagen im Letzten Willen rechtssicher festgehalten werden?
Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, ein Testament zu verfassen: handschriftlich oder notariell. Bei einem notariellen Testament hält ein*e Notar*in den Letzten Willen schriftlich fest. Ein handschriftliches Testament kann man alleine erstellen. Dazu kann man sich zum Beispiel durch einen Rechtsanwalt, insbesondere durch einen Fachanwalt für Erbrecht, beraten lassen. Damit es gültig und wirksam wird, gibt es gesetzliche Form- und Inhaltsregeln. Hier gibt es einiges zu beachten. Die NaturFreunde Deutschlands bieten zu diesem Thema eine eigene Broschüre "Werte weitergeben – Wandel gestalten" an, die hier unverbindlich heruntergeladen werden kann.

Interview: Barbara Stocker