Herr Rösler und sein merkwürdiges Verständnis von Freiheit

Für echte Freiheit kämpften schon ganz andere, die heutige FDP aber ganz sicher nicht

Der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Deutschlands weist die Behauptungen von FDP-Chef Philipp Rösler, dass allein die Liberalen die Vertreter der Freiheit seien, als deplatziert und geschichtslos zurück. Selbst einer Partei, der das Wasser bis zum Hals stehe, dürfe nicht jedes Mittel Recht sein, den politischen Gegner zu diffamieren. Michael Müller erklärt im Einzelnen:

Es ist ein merkwürdiger Wahlkampf: Abseitiges steht im Mittelpunkt, nicht die Auseinandersetzung um Konzepte und Projekte. Doch nach dem für sie desaströsen Wahlergebnis in Bayern wird der FDP-Wahlkampf zum abstrusen Theater. Parteichef Philipp Rösler nutzt das Fernsehen für ein politisches Kampfgeschrei, das jeden Bezug zur Realität verloren hat. Zur Demokratie gehört das Ringen um Meinungen und Wertungen, die zu Wahlentscheidungen führen. Aber es ist lächerlich, wenn Philipp Rösler lauthals verkündet: „(…) gehen wir raus auf die Straße, auf die Plätze, an die Stände, um für die Freiheit zu kämpfen.“

Da ist etwas kräftig durcheinandergeraten: Philipp Rösler als Wilhelm Tell unserer Zeit? Oder Rainer Brüderle als moderner Andreas Hofer? Was würden geistige Freiheitskämpfer wie Heinrich Heine zu diesen Verbündeten sagen – oder nationale Freiheitskämpfer wie Friedrich Ludwig Jahn, der dem Ideal der Brüderlichkeit anhing, wenn er jetzt den Markt anhimmeln sollte? Und was dächten sich erst die sozialen Freiheitskämpfer, zu denen nicht nur Friedrich Engels und Karl Marx gehörten, die sich für das Ideal der Gleichheit eingesetzt hatten, was von der heutigen FDP als Niedergang der Freiheit niedergemacht wird?

Gibt es noch ernsthafte Vertreter des Liberalismus in der FDP?
Gibt es tatsächlich einen ernsthaften Vertreter des Liberalismus, der – wie die heutigen FDP-Repräsentanten – einen Widerspruch zwischen individueller Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung sah? Ganz so, wie von Herbert Marcuse beschrieben: „Freiheit ist nicht bloß Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung, sondern mehr noch die Bestimmung und Verwirklichung von Zielen, die das Leben aller auf der Erde bewahren, schützen und befrieden.“

Und was sollte Willy Brandt zu dieser Ausgrenzung sagen, der in seiner Abschiedsrede klar machte: „Wenn ich sagen soll, was mir neben dem Frieden wichtiger sei als alles andere, dann lautet meine Antwort ohne Wenn und Aber: die Freiheit.“

Ist die CSU ein Feind der Freiheit?
Es bleiben mehr Fragen als Antworten. Was oder wen meint Herr Rösler? Tatsächlich haben sich in Bayern die Kräfteverhältnisse zwar innerhalb der Blöcke verschoben, aber nicht zwischen ihnen. Ist also der Feind der Freiheit die CSU, weil die überwiegende Zahl der FDP-Wähler von 2008 dorthin wechselte, also Schwarz statt Gelb gewählt hat? Warum wollte dann die FDP erneut eine Koalition mit der CSU bilden? Und warum will die FDP die schwarz-gelbe Koalition in Berlin fortsetzen, wenn das in die Unfreiheit führt?

Sind die NaturFreunde Vertreter der Unfreiheit?
Oder sind, was Rösler sicher unterstellt, die Oppositionsparteien die Feinde der Freiheit und damit alle, die nicht auf der Seite der FDP sind? Das ergibt sich zwar nicht aus dem Wahlergebnis in Bayern, gehört aber zum Wahlkampfgetöse der FDP. Sind also alle NaturFreunde, die nicht FDP wählen, Vertreter der Unfreiheit? Waren es nicht die NaturFreunde, die 1933 von den Nazis verboten wurden und von denen viele in Konzentrationslagern oder Gefängnissen gestorben sind, weil sie für die Freiheit gekämpft haben, während ein großer Teil des bürgerlichen Lagers sich der braunen Gewalt angepasst, mitgemacht oder sie sogar gefördert hat?

Herr Rösler, Sie kämpfen für eine am Abgrund stehende Partei, nicht aber für die Freiheit. Die Schwächen und das Versagen liegen bei der FDP selbst. Ihre Feindbilder sind plump und falsch.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------
3.944 Zeichen mit Leerzeichen – freigegeben

Rückfragen bitte an
NaturFreunde Deutschlands
Michael Müller
Bundesvorsitzender
(0172) 246 21 25
mueller@naturfreunde.de
www.presse.naturfreunde.de