Geoengineering: verrückte Ideen im Kampf gegen die Erderwärmung

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Was hilft eigentlich, wenn sich die Erdatmosphäre zu stark erwärmt? Anfang Oktober hatte der Weltklimarat IPCC eine Studie vorgelegt, die zur Eile beim Klimaschutz mahnt. Denn die Menschheit hat den Planeten bereits um ein Grad aufgeheizt. „Jede weitere Erwärmung, besonders über 1,5 Grad hinaus, vergrößert die Gefahr lang anhaltender oder nicht mehr umkehrbarer Veränderungen wie etwa dem Verlust von Ökosystemen“, warnt der Kieler Klimaforscher Hans-Otto Pörtner, der an dem IPCC-Sonderbericht mitgearbeitet hat (siehe auch „Wehe, wenn das Klima kippt“ in NATURFREUNDiN 3–18).

Aber es passiert einfach zu wenig. Statt zu sinken, steigen die weltweiten Emissionen noch immer. Deshalb ist eine neue Debatte entfacht: Kann uns das sogenannte „Geoengineering“ retten?

Es geht auf der einen Seite um künstliche, groß angelegte Eingriffe in den Strahlenhaushalt der Erde. Beispielsweise könnte man Schwefeldioxid in die Stratosphäre schießen, also bis in 50 Kilometer Höhe. Dort würden dann Schwefelaerosole entstehen, die Sonnenstrahlen und damit -wärme ins All zurückwürfen, was die Erwärmung der Erde abschwächte. Forscher*innen haben das Prinzip bei großen Vulkanausbrüchen abgeguckt.

Auf der anderen Seite geht es um das Vermögen, der Atmosphäre menschgemachte Treibhausgase wieder zu entziehen. Erforscht werden zum Beispiel „Düngeprogramme“ im Meer: Eisen ist ein lebenswichtiger Pflanzennährstoff, der versuchsweise im südlichen Ozean ausgebracht wurde, um das Wachstum mikroskopisch kleiner Algen – sogenanntes Phytoplankton – anzuregen. Wachstum bedeutet in diesem Fall Fotosynthese, also Kohlendioxid aus der Atmosphäre in Kohlenstoff umzubauen und dadurch zu binden. Wenn die Algen sterben und auf den Meeresboden sinken, wäre das Treibhausgas unschädlich – zumindest vorübergehend.

Ein viel diskutierter Plan ist ebenfalls, Wüsten aufzuforsten und so Treibhausgase aus der Atmosphäre in den Bäumen zu binden. Auch die „Carbon Dioxide Capture and Storage“-Technologie – kurz CCS – zählt zu den Technologien des „Geoengineerings“: das unterirdische Verpressen von Kohlendioxid. Es gibt Verfahren, die Kohlendioxid aus der Luft filtern können. Das Treibhausgas wird dann unter entsprechendem Druck verflüssigt und damit für etliche Jahrzehnte unterirdisch lagerbar in porösen Gesteinsschichten – eine Art Klimazwischenlager also.

Komplizierte Rückkopplungen

Doch solche Technologien sind hoch umstritten. „Geoengineering“ sei der falsche Begriff, findet Professor Ulf Riebesell vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel: Ein*e Ingenieur*in versuche genau voraus zu berechnen, welches Endergebnis eine Maßnahme bewirke. Das aber sei beim Geoengineering nicht möglich „und das wird auch nie so sein“, sagt der Forscher: „Wenn man an irgendeiner Schraube dreht im Erdsystem, wird es immer komplizierte Rückkopplungen geben, die man nicht im Einzelnen vorhersagen kann.“

Die Begrünung der Wüsten illustriert das Problem: Irgendwo muss dafür das Wasser herkommen; Trinkwasser, das heute schon knapp ist. Wäre die Sahara zum Beispiel wirklich ein Wald mit Verdunstung: Was wird dann aus dem westafrikanischen Monsun, der durch die trockene Wüste zumindest mit geprägt wird?

Derzeit stehen fast alle Länder dem Geoengineering ablehnend gegenüber. Doch auf den UN-Klimakonferenzen – wie bis zum 14. Dezember im polnischen Katowice (COP24) – werden solche Maßnahmen zunehmend diskutiert. Denn ein Teil der Wissenschaft ist fest davon überzeugt, dass es nicht ohne solche Technologien gehen wird. „Die Erwärmung auf unter zwei Grad zu beschränken, das wird höchst wahrscheinlich nur mit sogenannten negativen Emissionen funktionieren“, urteilt etwa Gernot Klepper, der das Institut für Umwelt- und Ressourcenökonomie am Institut für Weltwirtschaft in Kiel leitet. Negative Emissionen: Das sind aus der Luft zurückgeholte Treibhausgase. Die Bundesregierung hat deshalb einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der zumindest das maritime Geoengineering regeln soll. Offenbar aber nicht, um selbst Geoengineering betreiben zu wollen, sondern um künftig dessen Folgen bewerten zu können. Stefan Haufe, Sprecher des Bundesumweltministeriums: „Für uns stellen negative Emissionen keine Alternative dar zu klassischen Maßnahmen zur Minderung von Treibhausgasen.“ Also „Klimaschutz first“ und erst dann der Gedanke an Geoengineering. Vermutlich ist das auch der schlauere Weg.

Nick Reimer