NaturFreunde verlangen Sicherheitsbewertung von Lagerung und Transport chemischer und bio-chemischer Stoffe in Deutschland und der EU
Die tödlichen Detonationen im Hafen von Beirut dürften nicht einfach abgetan werden als schrecklicher Unfall in einem gescheiterten Staat, der es mit der Sicherheit nicht so genau nehme, warnt Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands. Eine Risikoanalyse nach dem GAU von Tschernobyl habe gezeigt, dass hiesige chemische Anlagen vergleichbare Risikopotenziale hätten. Diese Analyse müsse nun aktualisiert werden und auch Lagerung und Transport bewerten.
Eine der wichtigsten Lebensadern des Libanons liegt in Schutt und Asche. Mindestens 135 Menschen sind tot, mehr als 5.000 verletzt und Hunderttausende haben ihre Wohnung verloren. Diese Verwüstungen wecken schlimmste Erinnerungen an den Abwurf einer Atombombe. Die Ursache ist wahrscheinlich die Explosion von 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat. Der Stoff dient der Düngemittelherstellung, aber auch zum Raketenantrieb.
Eine Risikoanalyse über industrielle Gefahren in Deutschland kam nach dem Tschernobyl-Gau von 1986 zu dem Ergebnis, dass chemische Anlagen in Deutschland sowie in der EU ein vergleichbar gewaltiges Risikopotenzial haben. Insbesondere wurde damals auf die Chlorproduktion in unserem Land hingewiesen, die besonderer Schutzvorschriften und Sicherheitsmaßnahmen bedürfe. Bei den Gefahren sei in dicht besiedelten Regionen nicht nur die Produktion, sondern auch die Lagerung und der Transport zu beachten.
„Die NaturFreunde Deutschlands“, so ihr Bundesvorsitzender Michael Müller, „fordern die Bundesregierung auf, erneut eine Risikoanalyse vorzunehmen. Der Bericht sollte nicht nur die Produktionsanlagen bewerten, sondern auch Lagerung und Transport. Der Bundestag soll über diese Risikoanalyse beraten und notwendige Schlussfolgerungen daraus ziehen. Das gilt auch für die Europäische Union. Auch die Kommission sollte einen Bericht vorlegen.“
Das fachlich zuständige Bundesvorstandsmitglied Dr. Joachim Nibbe sieht entsprechende Gefahren vor allem in Entwicklungsländern. Dort seien es meist ausländische Firmen, die entweder direkt über Tochtergesellschaften oder in Kooperation mit heimischen Firmen versuchten, strikt notwendige Vorschriften zu umgehen. Nibbe: „Es sind die sogenannten Lieferketten, die die Gefahren unübersichtlich machen. Wir brauchen klare Verantwortlichkeiten und durchgehende Transparenz auch bei chemischen und bio-chemischen Produkten.“
Das tragische Unglück von Beirut habe noch einmal deutlich gezeigt, wie überfällig die schon seit Langem geforderte Integration von Umweltbelangen in ein Gesetz für globale Wertschöpfungsketten ist, so Nibbe. Nur ein gesetzlicher Rahmen gebe die Voraussetzungen für wirksamen Umweltschutz bei gleichzeitiger Achtung von Menschenrechten durch Unternehmen im Ausland.
Michael Müller: „Die NaturFreunde Deutschlands sind der Auffassung, dass die Globalisierung der Märkte nicht weniger, sondern mehr Regulierung erfordert. Der heutige Arbitragekapitalismus, der die Unterschiede in Zeit und Raum für ihren Profit ausnutzt, darf nicht mehr hingenommen werden.“