"Die 1,5-Grad-Marke ist bereits überschritten"

Vier Fragen an Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands

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Am 20. September ist wieder großer Klimastreik, Fridays for Future hat erneut zu globalen Protesten für mehr Klimaschutz und gegen das fossile Weiter-so aufgerufen.

Vor diesem Hintergrund warnt der NaturFreunde-Bundesvorsitzende Michael Müller, dass die Klimakrise heute bereits schlimmer sei als zum Zeitpunkt, als Fridays for Future erstmals das 1,5-Grad-Ziel einforderten. Zudem kritisiert Müller, dass es in der Bundesregierung nicht die notwendige Konzentration auf das Klimathema gebe.

Aber lies das Kurzinterview mit dem Bundesvorsitzenden der NaturFreunde Deutschlands am besten selbst. Vier Fragen an Michael Müller:

Während die Wetterextreme auch bei uns immer stärken wurden, meldet der Tourismus in diesem Sommer neue Besucher*innenrekorde. Blenden die meisten Menschen die Klimakrise mittlerweile einfach aus?

Michael Müller: Seien wir ehrlich: Bei uns wird viel über die Klimakrise gesprochen, aber das scheint alles noch weit weg zu sein. „Die Menschen sitzen mit einem Glas Wein auf dem Balkon und freuen sich über den Sommer“, schrieb der Literat Wolfgang Hildesheimer. Wer nicht selbst einen Starkregen mit Wasser im Haus erlebt hat oder vielleicht sogar einen Waldbrand im Griechenlandurlaub, genießt doch die Wärme im Hier und Jetzt.

Das Fatale an der Klimakrise ist, dass sie eine längere Anpassungsfrist hat und sich auch höchst unterschiedlich in den Regionen auswirkt. Sie trifft vor allem arme Regionen und Bevölkerungsteile, während reiche Schichten ihre Domizile einfach verlagern können. 

Fridays for Future ruft für den 20. September zum nächsten großen Klimastreik auf und plakatiert „Protest like there is no tomorrow!“ Ist die Klimakrise wirklich schon so schlimm?

Die NaturFreunde Deutschlands engagieren sich wie bei den letzten Klimastreiks wieder in einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis, welches Fridays for Future bei der Bewerbung des Klimastreiks am 20. September unterstützt.
www.klima-streik.org

Die Klimakrise ist sogar schlimmer, als sie von Fridays For Future dargestellt wurde, als das 1,5-Grad-Ziel gefordert wurde. Diese Marke ist nämlich bereits überschritten: Im April 2024 waren wir bereits bei 1,64 Grad.

Das Schlimme an der Klimakrise ist auch, dass sie die sozialen Unterschiede vergrößert. Auch das groß angekündigte Klimageld wurde noch nicht gezahlt. Meist gibt es nur neoliberale Konzepte. Aber so wird das Problem nicht entschärft.

Die Bundesregierung hat bei ihrer Klimapolitik bisher stark auf finanzielle Maßnahmen gesetzt, jetzt scheint kein Geld mehr da zu sein. Spart die Ampelkoalition die Zukunft kaputt?

Fairerweise muss man sagen, dass dieses Versagen nicht nur auf die unsinnige Schuldenbremse zurückgeht, sondern auch auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts selbst. Erst wurde die Bundesregierung verklagt, mehr gegen die Klimakrise zu tun, um anschließend auf Antrag der CDU/CSU den Klimahaushalt wegen der Nichteinhaltung der "Schwarzen Null" zu stoppen. Aber richtig ist: In der Bundesregierung gibt es nicht die notwendige Konzentration auf das Klimathema.

Viele NaturFreunde-Ortsgruppen beteiligen sich regelmäßig an den Klimastreiks. Willst du ihnen etwas mit auf den Weg geben?

Bitte macht weiter so, ohne mehr politisches Engagement wird es auch nicht mehr Klimaschutz geben. Der NaturFreunde-Bundesvorstand wird bald eine umfangreiche Broschüre zur Klimakrise vorlegen. 

Fragen: Samuel Lehmberg