Verwaltungsstrukturreform – was für ein sperriger Begriff. Dennoch ging der Entwurf des Leitbildes für die brandenburgische Verwaltungsstrukturreform mehrfach durch die Presse. Das brandenburgische Innenministerium hat für viel Aufregung mit der Forderung nach der Zusammenlegung von Landkreisen sowie dem Verlust der Kreisfreiheit von Cottbus, Brandenburg an der Havel und Frankfurt an der Oder gesorgt.
Mit im Gepäck hat dieses Leitbild allerdings auch naturschutzfachlichen Sprengstoff. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit will die brandenburgische Landesregierung erneut naturschutzrechtliche Zuständigkeiten vom Land auf die Landkreise verschieben. Damit würde stark in die Kompetenzen des Landesamtes für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz – vielen noch als Landesumweltamt bekannt – eingegriffen und dieses Amt endgültig zersplittert.
Darum geht es genau
Zum einen soll die Schutzgebietsausweisung nun vollends auf die Landkreise verlegt werden. Wie problematisch eine solche Aufsplitterung der Zuständigkeit im Naturschutz sein kann, zeigt gerade das laufende Vertragsverletzungsverfahren zur Umsetzung der FFH-Richtlinie. In diesem Verfahren fordert die Europäische Union von Deutschland die nationale Umsetzung der Unterschutzstellung – für den Naturschutz sicher bundesweit eine zentrale Aufgabe. Und für die Naturschutzverwaltung der Länder eine Herkulesaufgabe.
Solche europäischen Anforderungen sollen in Brandenburg zukünftig in die Zuständigkeit der Landräte fallen – eine einheitliche Umsetzung wird da nur mit hohem Koordinierungsaufwand möglich sein; wenn überhaupt. Statt Einsparung also neuer Aufwand – von dem weder die Natur noch der Landeshaushalt profitiert und für den Naturschutz letztlich nichts gewonnen ist.
Aber auch die naturschutzfachliche Bearbeitung in hoch spezialisierten Genehmigungsverfahren, insbesondere immissionsschutzrechtliche Verfahren, sollen an die Landkreise gegeben werden. Das hieße, dass die Landräte beispielsweise Tierhaltungsanlagen oder Windkraftanlagen nach eigenem Gusto genehmigen.
Auch die Naturparke möchte die Landesregierung loswerden. Bislang sind sie gemeinsam mit den Biosphärenreservaten im Landesamt für Umwelt eingegliedert und einheitlich entwickelt. Die Landesregierung möchte die Naturparks nun den Kreisen „anbieten“ – jeder Landkreis soll sich also selbst aussuchen, ob er einen Naturpark übernimmt oder nicht.
Eine einheitliche Entwicklung und „Vermarktung“ von Großschutzgebieten wird unmöglich: statt einheitlicher Entwicklung also Kleinstaaterei nach den Vorgaben der Landräte. Und gerade die Landräte spielen bei der gesamten Verwaltungsstrukturreform eine große Rolle. Denn anders als bei der Landesregierung, wo Minister einzelne Ressorts zu verantworten haben, untersteht das Landratsamt als Bündelungsbehörde direkt dem Landrat. Das erleichtert natürlich Abwägungsentscheidungen. Diese müssten bisher zwischen unterschiedlichen Fachressorts des Landes geklärt werden – zukünftig entscheidet der Landrat.
Solche politischen Entscheidungen gehen in der Regel leider zulasten des Naturschutzes
In einigen Landkreisen regieren schon jetzt kleine Könige, die gern selbstherrlich fachliche Entscheidungen durch politische Entscheidungen ersetzen. Doch solche politischen Entscheidungen gehen in der Regel leider zulasten des Naturschutzes. Und sie gefährden letztlich auch die Planungs- und Investitionssicherheit für Unternehmer. Denn solche politischen Entscheidungen sind häufig nicht rechtssicher und gerichtsfest.
Leider gehen einige Landkreise schon heute sehr stiefmütterlich mit ihren Unteren Naturschutzbehörden um. Sie sind unterbesetzt und auch nicht immer mit Fachleuten ausgestattet. Fehlentscheidungen können jedoch verheerend sein. Das zeigt zum Beispiel das von den NaturFreunden Brandenburg gestoppte Bauvorhaben auf der Halbinsel Lindenwerder im Lychener Wurlsee. Hätten die NaturFreunde Brandenburg nicht geklagt, wäre das Projekt auf Kosten der Natur durchgesetzt worden. Jetzt jedoch ist die Fehlentscheidung des Landkreises eine kostspielige Zeitverschwendung für den Investor.
Unternehmer jedoch brauchen Rechtssicherheit. Und die kann nur durch eine kompetente, gut besetzte Fachbehörde gewährleistet werden. Kurz – wir brauchen ein wasserdichtes, fachlich ausgewogenes und abgestimmtes Verwaltungshandeln. Dafür sollte nicht ausgerechnet eine funktionierende Struktur auf Landesebene zerschlagen werden.
Das Großschutzgebietssystem in Brandenburg ist beispielhaft und Aushängeschild desLandes und sollte stattdessen aufgewertet werden, denn es ist durchaus sowohl ein Wirtschaftsfaktor als auch Image prägend.
Gemeinsam mit den anderen in Brandenburg anerkannten Naturschutzverbänden haben die NaturFreunde Brandenburg zur Anhörung des Innenausschusses des Landtags im November 2015 Stellung genommen, abrufbar auf www.naturfreunde-brandenburg.de
Rüdiger Herzog
NaturFreunde Brandenburg