Für die NaturFreunde Berlin war das Jahr 2020 – wie für alle anderen NaturFreunde-Verbände – eine große Herausforderung. Durch die Pandemie konnten sportliche, kulturelle und umweltpolitische Planungen nicht einfach weiter umgesetzt und angeboten werden, reale Treffen mussten unterbleiben und die bisherige Arbeit im Verband grundlegend überdacht werden. Auch die NaturFreunde Berlin standen vor der Aufgabe, eine Antwort auf die Herausforderungen der Covid-Pandemie zu finden und mit neuen Angeboten die Vereinsaktivitäten so weit wie möglich aufrechtzuerhalten.
Durch die engagierte Arbeit einiger Mitglieder und die Kreativität der Teamer*innen aus den verschiedenen Bereichen hat sich in den Monaten seit den ersten Einschränkungen durch die Pandemie ein vielfältiges kulturelles, bildungspolitisches und sportliches Angebot im Internet durch den Landesverband – aber auch auf Bundesebene – entwickelt.
Grundlagen für die Arbeit in Pandemie-Zeiten
Zuerst war zu klären, wie sich bisher reale Veranstaltungen, die in den Räumlichkeiten der NaturFreunde, auf dem Sportplatz oder auch die verbandlichen Gremiensitzungen mit neuen Formen möglichst weit aufrechterhalten ließen. Durch Angebote, die bisher vor allem von Firmen und internationalen Organisationen als Konferenz-Infrastruktur genutzt wurden, gab es Möglichkeiten, die auch für die Vereinsarbeit ausprobiert werden konnten. So galt es in den ersten Wochen nach den notwendigen Einschränkungen, die bisherigen Angebote und Dienste zu vergleichen und auszuprobieren.
Nach einigen Wochen mit unterschiedlichen Angeboten entschieden sich die NaturFreunde Berlin – durchaus schweren Herzens – für den Anbieter Zoom, obwohl zur damaligen Zeit die Kritik an der Datensicherheit und das Problem der Verträge der Internet-Anbieter aus den USA als nicht unproblematisch angesehen wurden. Für die NaturFreunde Berlin waren hier jedoch die Kritik und die Möglichkeiten für größere Veranstaltungen abzuwägen und es zeigte sich, dass die Übertragungsqualität für größere Veranstaltungen und die Möglichkeiten der Nutzung zum damaligen Zeitpunkt am besten bei Zoom funktionierte. Hier haben zwischenzeitlich auch andere Anbieter nahezu gleichwertige Formate entwickelt.
Sport im Internet
Die NaturFreunde Berlin sind ein aktiver Sportverband mit Tourenangeboten, Wanderungen, Gymnastik, Schachangeboten für Kinder, Yoga und der Sportart Muay Thai. Sehr schnell entwickelten die Trainer*innen Internet-Angebote, um weiterhin Trainings für die Interessierten und Mitglieder anbieten zu können. Die Muay-Thai-Gruppe bot mehrere Male in der Woche Trainingseinheiten über das Internet an. Gymnastik konnte ebenfalls als Angebot im Netz entwickelt werden und auch das Schach-Angebot etablierte sich als Internet-Angebot.
Doch wie sollte es beim Wandern weitergehen? Durch die Auflagen der Länder Berlin und Brandenburg durften mehrere Monate keine Wanderungen mehr als organisiertes Freizeitangebot der NaturFreunde stattfinden. So überlegten sich einige Wanderleiter*innen, als kleinen Ausgleich „Wanderungen im Internet“ anzubieten. In der notwendigen „Pandemie-Pause“ fanden deshalb über den Berliner Zoom-Account zwei „Internet-Wanderungen“, zwei „Kinderwagen-on-tour-Wanderungen“ und die geplante internationale Wanderreise „Berge, Täler und Partisanen“ als Zoom-Angebot statt.
Die real geplanten Wanderungen wurden durch den Wanderleiter mit dem Fotoapparat abgelaufen und aus den Bildern ein Fotovortrag als Power-Point-Vortrag erarbeitet. Mit ein wenig Witz und vielen schönen Bildern wurden die Wander*innen der NaturFreunde-Ortsgruppe Adelante an Sonntagen, an denen eigentlich die geplante Wanderung durchgeführt werden sollte, eingeladen und bei einem einstündigen Vortrag Impressionen der Tour vorgestellt.
Auch die geplante Wanderreise nach Bulgarien wurde mit mehr als 200 Bildern virtuell erfahrbar gemacht und die Stationen und Wege sowie die kulturellen Stätten zumindest virtuell besucht. Als Grundlage diente der reichhaltige Bilderschatz aus den letzten Jahren, in denen die Reise bereits stattgefunden hatte. Für die Teilnehmenden wurden so zwei schöne Stunden gemeinsamen Diskutierens und mit viel Erinnerungen und einem Ausblick auf die Planungen für das Jahr 2021 angeboten.
Kultur- und Bildungsarbeit im Netz
Die NaturFreunde Berlin haben in den letzten Jahren ein vielfältiges Angebot an Kultur- und Bildungstouren, Bildungsangeboten und Seminaren entwickelt. So konnte es in der Lockdown-Zeit gelingen, „DenkMalTouren“, „Stadtspaziergänge“, Angebote der Umweltdetektive, globalisierungskritische Stadtspaziergänge und das Angebot „Auf den Spuren der Klimasünder*innen in Berlin“ als virtuelle Touren anzubieten.
Das Prinzip war das gleiche wie bei den virtuellen Wanderungen: Die Teamer*innen liefen die geplanten Strecken allein oder mit einer*einem Fotograf*in ab, machten von den Stationen Bilder und erarbeiteten einen Informations- und Bildervortrag zu den jeweiligen Themenbereichen.
Auch die Reihen „Wissenschaft konkret“, „Kultur konkret“ und „Politik konkret“ wurden in der Zeit des Lockdowns vollständig ins Internet verlagert. Die NaturFreunde Berlin konnten so in diesem Jahr mehr als 50 Bildungsveranstaltungen im Internet anbieten. Mit diesem vielfältigen Angebot konnten so nahezu zwei Drittel aller geplanten Bildungsangebote auch in der Pandemiezeit umgesetzt werden. Zwischenzeitlich hat sich ein reges Diskussionsangebot im Netz entwickelt und den NaturFreunden auch neue Interessierte Zuhörer*innen und Mitdiskutierende erschlossen. Gleichzeitig blieb das Problem, das Anfangs viele ältere Mitglieder für die neuen Angebote nicht begeistert werden konnten. Hier hat sich jedoch in den letzten Monaten zumindest ein kleiner Fortschritt entwickelt.
Auch der Marx-Lesekreis der NaturFreunde Berlin wurde vor mehr als fünf Monaten ins Netz verlagert. Das hat dazu geführt, dass ein Interessierter, der derzeit ein internationales Studienjahr in Costa Rica verbringt, trotzdem weiterhin aktiv an dem Lesekreis beteiligt sein kann und gemeinsam mit den Berliner*innen die Höhen und Tiefen der linken Theorie erkundet.
Auch die „Stammtischkämpfer*innenseminare“, die von den NaturFreunden Berlin in Zusammenarbeit mit dem Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ angeboten wurden, konnten durch die Weiterentwicklung der Formate im Internet als Zoom-Meetings durchgeführt werden. Hier half die Möglichkeit, durch Kleingruppenarbeit, Team-Sitzungen und gut ausgebildete Teamer*innen die schwierigen Inhalte gut erfahrbar für die Teilnehmenden anzubieten.
„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“
Besonders schwierig war die Verlagerung der Führungen „Auf den Spuren jüdischen Lebens in Berlin“ ins Netz zu verlagern. Die Touren führen auf den Spuren von Stolpersteinen durch Berlin und erschließen mit historischen Quellen und Überlieferungen die Schicksale der Menschen hinter den Stolpersteinen. Da gerade diese Touren versuchen, die Strukturen der Verfolgung und die Menschen hinter den Namen wieder sichtbar zu machen, war die Erarbeitung dieser Touren als Internet-Angebot auch für den Teamer nicht einfach.
Unter dem Motto „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“ versuchen die NaturFreunde, Anwohner*innen und Interessierte für die Stolperstein-Touren zu gewinnen. Bisher wurden die Touren über Flyer, die an der Strecke an die Haustüren angebracht wurden, bekanntgemacht, um in den Berliner Kiezen Interessierte Teilnehmer*innen zu erreichen. Aufgrund der aktuellen Lage war dies nicht mehr möglich. In Berlin wurden in den letzten Monaten deshalb Stolperstein-Touren im Internet für die Hufeisensiedlung in Britz, im Lettekiez und der Eichkampsiedlung und direkt um die Geschäftsstelle der NaturFreunde Berlin entwickelt und zwischenzeitlich zum Teil aufgrund der großen Nachfrage mehrere Male angeboten.
Seminare im Internet
Allein in den Monaten des Lockdowns wurden durch die NaturFreunde Berlin fünf Ganztages-Seminare und mehr als 40 Abendseminare angeboten und durchgeführt. Die Palette reichte von Workshops zur „Geschichte der autogerechten Stadt“, über „Klimaworkshops“, Seminaren zur Zukunft der Verkehrspolitik in Berlin und ökologischen Diskussionen. Durch die Förderung der Landeszentrale für Politische Bildung, durch Seminare die von „Demokratie leben“ und einer Stiftung gefördert wurden, konnten hier mehr als 20 Veranstaltungen im Internet angeboten werden.
Arbeitsgruppen und Fachgruppen im Internet
Jeden Monat finden zwischenzeitlich mehr als 10 Arbeitsgruppen und Fachgruppen der NaturFreunde Berlin im Netz statt. Das Angebot reicht vom Umwelt-Arbeitskreis, über die Straßenbahn-AG, das „Netzwerk TTIP | CETA | TiSA stoppen!“ bis zum Bündnis „Natur statt Asphalt – Entsiegelt Berlin“, die von den NaturFreunden organisiert werden. Durch diese Verlagerung der Arbeit in virtuelle Treffen konnte bei allen inhaltlichen Angeboten der NaturFreunde die Weiterarbeit gesichert und zum Teil sogar intensiviert werden.
Der Arbeitskreis Internationalismus der NaturFreunde Berlin konnte erst vor wenigen Tagen gemeinsam mit befreundeten Organisationen wie das FCDL, dem BUKO und der Freundschaftsgesellschaft Berlin-Kuba eine spannende Diskussionsveranstaltung zum Thema „Politik konkret: Internationalismus und internationale Solidarität mit Lateinamerika heute – Eine Debatte“ anbieten, bei der die Frage „Was bedeutet Internationalismus heute?“ sehr fundiert und inhaltlich diskutiert wurde. Zwei Referenten zeigten hier die unterschiedlichen Diskussionsentwicklungen der Solidaritätsbewegung mit Lateinamerika auf und entwickelten Anforderungen an internationale Solidaritätsgruppen heute.
Die mehr als 30 Teilnehmenden diskutierten gemeinsam ihre – durchaus unterschiedlichen – Herangehensweisen und entwickelten Gemeinsamkeiten. So gelang es, Aktive aus zum Teil sehr unterschiedlichen linken Diskussionszusammenhängen „in einen Raum“ zusammenzuführen und in solidarischer und freundschaftlicher Atmosphäre Meinungen auszutauschen. Zum Abschluss der Veranstaltung wurde vereinbart, auch im nächsten Jahr weitere Veranstaltungen zu diesem wichtigen Themenkomplex anzubieten.
Fotoexkursionen im Internet
Auch die organisierten Fotoexkursionen im Internet waren eine interessante Erfahrung für die Teilnehmenden. Die Fotograf*innen wurden gebeten, zu abgesprochenen Themen bei ihren individuellen Fototouren in Berlin Bilder zu machen, die dann gemeinsam angeschaut und die Unterschiede in der thematischen Bearbeitung diskutiert wurden. Aber auch klassische Fotoexkursionen wie „Das sowjetische Ehrenmal in Treptow“, „Antifaschistische und antimilitaristische Gedenkorte rund um den Alexanderplatz“, „Auf den Spuren des neuen Bauens in Berlin“ oder „Spuren der Macht. Das Regierungsviertel in Berlin“ wurden als virtuelle Touren im Netz angeboten.
Großer Wehrmutstropfen: der NaturFreunde-Chor
Gemeinsam singen und eine schöne Zeit verbringen. Das ist das Ziel des NaturFreunde-Chors. Im Chor werden die Lieder der internationalen Arbeiter*innenbewegung, Lieder aus der Friedens- und Anti-Atom-Bewegung und internationale Lieder der fortschrittlichen Bewegungen gemeinsam gesungen. Leider konnte der NaturFreunde-Chor seit Beginn der Pandemie nicht mehr real stattfinden, da die Auflagen für Chöre aufgrund der Pandemie besonders streng sind. Alle Überlegungen, die Chortreffen ins Netz zu verlagern, wurden hier aber verworfen, da keine Möglichkeit gefunden wurde, das gemeinsame Singen in der Gruppe durch virtuelle Angebote auch nur annähernd auszugleichen. Deshalb ruht der NaturFreunde-Chor der NaturFreunde Berlin zwischenzeitlich seit fast einem halben Jahr und alle Teilnehmer*innen warten mit viel Vorfreude auf die Möglichkeit von realen Chortreffen. Gemeinsam hoffen sie, dass der Chor bald wieder durchstarten kann. Bis dahin müssen die Erinnerung an die schönen gemeinsamen Stunden ausreichen.
Seminararbeit auf Bundesebene
Mit dem „Treffpunkt i“ wurde auch vom Bundesvorstand ein Seminar- und Diskussionsangebot entwickelt, das bis zu 95 Teilnehmende erreichen konnte. NaturFreund*innen aus allen Teilen des Bundesgebietes treffen sich einmal im Monat zu interessanten Themen und werden von Referent*innen in das Themengebiet eingeführt. Die Diskussionen, die sich während der Veranstaltung entwickeln, tragen dazu bei, dass der inhaltliche Austausch zwischenzeitlich zum Teil deutlich ausgeweitet werden konnte, da durch die fehlenden Anreisen quer durch das Bundesgebiet viele neue Diskutant*innen gewonnen werden konnten.
Auch das Angebot „Frieden konkret“, dass gemeinsam von den NaturFreunde-Landesverbänden Berlin und Hamburg organisiert wird, wird regelmäßig von 15 bis 25 NaturFreund*innen und Friedensbewegten besucht.
Die Angebote vom „Netzwerk Global“ zu internationalen Themen, bei denen mit den Genoss*innen aus Senegal, Togo, Honduras und Gambia über internationale Themen diskutiert werden konnte, war auch für viele NaturFreunde aus Berlin ein wichtiger inhaltlicher Höhepunkt in diesem Jahr.
Was bleibt für das nächste Jahr?
Für die Kultur- und Bildungsarbeit der NaturFreunde Berlin war die Entwicklung von neuen Formaten im Internet eine wichtige Erfahrung. Es hat sich gezeigt, dass diese Formate viele neue Interessierte für die Angebote der NaturFreunde erschließen konnten und gleichzeitig NaturFreund*innen zu Diskussionen zusammengebracht haben, die bisher aufgrund der räumlichen Entfernungen solche gemeinsame Austausche nicht erfahren hätten.
Die Verantwortlichen im Landesverband Berlin sind sich einig, dass auch in der Zeit nach dem Lockdown die Internet-Formate weiterhin angeboten werden sollen. So wird der Arbeitskreis Internationalismus im nächsten Jahr mehrere Seminare mit internationalen Gästen organisieren und so den Austausch über Ländergrenzen und Kontinenten möglich machen. Die Arbeitskreise Umwelt, Straßenbahn-AG und „Entsiegelt Berlin“ werden in Zukunft als hybride Veranstaltungen oder in Abwechslung als reale Treffen und Internet-Treffen angeboten werden, da sie gerade auch für Alleinerziehende oder Aktive, die erst spät aus der Arbeit kommen, die Möglichkeit erschließen, an gemeinsamen Treffen teilzunehmen. Auch DenkMalTouren und Stadtspaziergänge werden im nächsten Jahr zumindest einmal im Monat als virtuelles Angebot weiterlaufen. Es war für die Teamer*innen auch ein schönes Erlebnis, dass durch die virtuellen Angebote auch Menschen mit Geheinschränkungen an Touren teilnehmen konnten.
Die neuen virtuellen Formate haben das Angebot der NaturFreunde Berlin weiterentwickelt und differenziert. Gleichzeitig freuen sich alle auf die Zeit nach Corona, wenn sich Menschen wieder ohne Sorgen vor Ansteckung gemeinsam treffen können. Die NaturFreunde sind ein Verband, der Gemeinsamkeit und solidarisches Miteinander als Grundlage seiner mehr als 125 Jahre dauernden Arbeit hat. Hierfür müssen sich Menschen real treffen können. Die Grundlagen für eine neue, eine solidarische Gesellschaft lassen sich nur gemeinsam entwickeln.
Solidarität und solidarisches Miteinander bedeutet gerade auch für NaturFreund*innen, dass der Mitmensch nicht als Gefahr für die eigene Gesundheit empfunden wird, sondern das Treffen als solidarischer Raum der Gemeinsamkeit erlebbar ist. Eine solidarische Gesellschaft braucht den direkten Austausch der Menschen miteinander. Hier kann das Internet nur unzureichende Alternativen bieten. Jedoch hat dieses Jahr gezeigt, dass es auch Chancen für eine Modernisierung und Differenzierung der Angebote des Verbandes bietet. Diese in ein gutes Verhältnis zu bringen, wird in den nächsten, hoffentlich „pandemiefreien“ Jahren die Aufgabe der Teamer*innen bei den NaturFreunden. Gemeinsam werden sich die NaturFreunde Berlin diesen Herausforderungen und Möglichkeiten stellen.
Insgesamt war das Jahr 2020 für die NaturFreunde Berlin ein sehr lehrreiches Jahr. Durch die intensiven und kreativen Ideen der Aktiven konnte das Vereinsleben kulturell, politisch und sozial aktiv aufrechterhalten und weiterentwickelt werden. Ein großes Dankeschön der Berliner*innen war, dass die NaturFreunde Berlin im Jahr 2020 die Anzahl ihrer Mitglieder um fast fünf Prozent steigern konnten und damit – trotz der notwendigen Einschränkungen – gestärkt in das Jahr 2021 gehen.
Uwe Hiksch
NaturFreunde Berlin