„Wir teilen gemeinsame Wurzeln in der Arbeiterbewegung“

Ein Interview mit dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsident und NaturFreund Alexander Schweitzer

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Was heißt heute soziale Gerechtigkeit? Und wie gehen wir gemeinsam die Klimakrise an? Alexander Schweitzer ist nicht nur Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender – er ist auch NaturFreunde-Mitglied. Im Interview mit dem NaturFreunde-Magazin NATURFREUNDiN spricht er über Investitionen in Bildung und Klima, die gemeinsamen Wurzeln von SPD und NaturFreunden und erklärt, warum er ein AfD-Verbotsverfahren für notwendig hält.

NATURFREUNDiN: Alexander, du bist 2006 erstmals in den Landtag von Rheinland-Pfalz eingezogen und im gleichen Jahr auch den NaturFreunden beigetreten.

Alexander Schweitzer: Für mich stehen die NaturFreunde für eine beeindruckende Verbindung aus sozialer Gerechtigkeit, ökologischer Verantwortung und gelebter Demokratie. Seit 130 Jahren setzen sie sich dafür ein, dass alle Menschen – unabhängig vom Geldbeutel – Zugang zu Natur, Freizeit und Sport haben. Das ist heute genauso aktuell wie damals.

Die NaturFreunde zeigen, dass Nachhaltigkeit mehr ist als Umweltschutz: Sie verbinden soziale Teilhabe und ökologische Verträglichkeit. Gerade in Zeiten der Klimakrise ist ihr Engagement für Umweltbildung, naturnahe Freizeitangebote und den Schutz unserer Gewässer ein echtes Vorbild.

Besonders schätze ich auch das klare Bekenntnis der NaturFreunde zu Demokratie und Vielfalt. Sie stellen sich aktiv gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus und leisten wichtige Bildungsarbeit, um unsere Gesellschaft zusammenzuhalten. Nicht zuletzt ist der Einsatz der vielen Ehrenamtlichen in den Ortsgruppen für mich Ausdruck gelebter Solidarität und verdient höchsten Respekt.

Vor deiner Wahl zum Parteivize hast du auf dem SPD-Bundesparteitag in Berlin gesagt: „Wir brauchen wieder eine große Idee, von der wir selbst geleitet sind.“

Alexander Schweitzer (51) wurde im Juni auf dem SPD-Bundesparteitag in Berlin zum Stellvertretenden SPD-Vorsitzenden gewählt. Er gehört der Partei seit 36 Jahren an und zog für sie 2006 erstmals in den Landtag von Rheinland-Pfalz ein. Im gleichen Jahr trat er den NaturFreunden bei. Der gelernte Jurist ist seit gut einem Jahr Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und regiert mit einer Ampel-Koalition.

Wir wissen aus Befragungen, dass sehr viele Menschen die sozialdemokratischen Werte teilen. Die SPD ist eine Programmpartei und deshalb ist es wichtig, dass wir nun gemeinsam ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten. Wir müssen wieder deutlicher machen, was wir tun und was wir wollen. Das bedeutet auch, wieder eine neue Sprache zu finden und neue Ideen zu entwickeln, die die Menschen begeistern und mitnehmen.

In Rheinland-Pfalz setzen wir das um: Wir haben eine große Investitionsoffensive gestartet, die den Menschen am Arbeitsplatz, in Schulen und Kitas helfen wird. Wir entlasten die Kommunen mit zusätzlichen 600 Millionen Euro Landesgeld. Gemeinsam mit den Kommunen, der Wirtschaft und den Gewerkschaften entwickeln wir einen „Rheinland-Pfalz-Plan für Bildung, Klima und Infrastruktur“. Er soll festlegen, welche wichtigen Zukunftsprojekte wir mit den 4,8 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen des Bundes finanzieren.

Wir schützen das Klima mit einem Waldprogramm in Höhe von 50 Millionen Euro. Denn auch im Pfälzerwald sehen wir, dass der Wald einerseits das Klima rettet und andererseits durch die Trockenheit selbst leidet. Wir wollen für alle Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer ein lebenswertes Morgen gestalten.

Die NaturFreunde sind den Idealen des demokratischen Sozialismus verpflichtet und treten für eine sozial gerechte, ökologisch verträgliche Wirtschaft ein.

Die NaturFreunde und die SPD sind seit jeher eng miteinander verbunden. Wir teilen gemeinsame Wurzeln in der Arbeiterbewegung und stehen beide für soziale Gerechtigkeit, Solidarität und Demokratie. Was ich an den NaturFreunden besonders schätze, ist ihr konsequentes Engagement für den Umweltschutz – sie zeigen immer wieder, dass soziale und ökologische Fragen zusammengehören und nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen.

Unsere Geschichte ist auch eine Geschichte des gemeinsamen Widerstands gegen Faschismus und Ausgrenzung. Die NaturFreunde sind ein wichtiger Partner, wenn es darum geht, gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen und das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schärfen. Sie werden nicht umsonst als „grüne Rote“ bezeichnet – sie verbinden sozialdemokratische und ökologische Ideen auf vorbildliche Weise. Ich wünsche mir, dass wir als SPD diese Verbindung noch stärker leben und gemeinsam für eine gerechte, solidarische und nachhaltige Gesellschaft eintreten.

Der NaturFreunde-Bundeskongress in Kaiserslautern, bei dem du Gastredner warst, hat die Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens gefordert.

Ich unterstütze den Beschluss unseres SPD-Bundesparteitags, ein AfD-Verbotsverfahren vorzubereiten, ausdrücklich. Aber ich sage auch klar: Wir dürfen dabei nichts überstürzen. Ein solches Verfahren darf nur eingeleitet werden, wenn wir wirklich ausreichend belastbares Material haben, das die Verfassungswidrigkeit der AfD zweifelsfrei belegt. Es wäre fatal, zu früh zu starten und am Ende juristisch oder politisch zu scheitern. Unser Ziel muss sein, überzeugend und rechtssicher zu handeln, damit ein solches Verfahren auch wirklich Erfolg haben kann.

Interview: Jürgen Voges

(Dieses Interview ist bereits erschienen in NATURFREUNDiN 3-25, dem Mitgliedermagazin der NaturFreunde Deutschlands.)